Programm am Dienstag, 24.09.19

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(Gesamtprogramm als PDF (Stand 05.09.2019) / Übersicht Panels/Workshops als PDF / Rahmenprogramm als PDF)

Programmänderungen (Stand 25.09.2019)

10:30–12:30

P = Panel; W = Workshop; ✐ = thematischer Schulbezug

Themenbereich 1: Theorien und Konzepte von Zeit

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Poetik des Kalenders TEIL I
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Poetik des Kalenders TEIL I

Kafkas Proceß-Roman, Thomas Manns Zauberberg, Musils Mann ohne Eigenschaften, Uwe Johnsons Jahrestage oder Christa Wolfs Ein Tag im Jahr − alle diese Erzähltexte verbindet, dass kalendarische Grundeinheiten zu ihren zentralen Gestaltungselementen gehören. Auch in der Lyrik sind Stundenbücher, Jahreskreise und Jahreszeiten als Ordnungsmuster und semantische Grundierung seit jeher beliebt. Und schließlich ist auch das Drama in seiner ‚offenen‘ wie in seiner ‚geschlossenen‘ Form nicht selten durch kalendarische Muster strukturiert, die keineswegs auf das sog. Geschichtsdrama beschränkt bleiben. Das Panel unternimmt den Versuch, in einem weitgefassten Sinne nach der kulturellen Poetik des Kalenders zu fragen, nach dessen Produktivität für die diversen literarischen Formen und Genres ebenso wie nach seiner Funktion für mentale und soziale Anhaltspunkte im Gang der Zeit.

Im Institut des Kalenders sind elementare astronomische Messtechniken, gesellschaftlich-kulturelle Zeitordnung und mediale Präsentationsformen zu einem komplexen Gebilde zusammengeschlossen. Der Kalender organisiert die Periodik von wiederkehrenden Festen und die Fokussierung auf gemeinschaftsstiftende Memorialdaten (Gründungsakte, Gedenktage), er hält mit dem Wechsel der Jahreszeiten, der Tageslichtlänge und der Mondphasen die elementare Bindung des menschlichen Lebens an naturale Rhythmen präsent. Die longue durée fast sämtlicher kalendarischer Grundeinheiten, wie sie etwa in der Einteilung und den Namen von Monaten und Wochentagen zum Ausdruck kommt, evoziert zudem eine mythische Dimension, die auch in neuzeitlichen und modernen Thematisierungen kalendarischer Phänomene noch wirksam ist. Indem der arbiträre Konstruktcharakter jeder zeitlichen Setzung und Grenzziehung im Kalender ästhetisch plausibilisiert wird, zeigt er sich als Schauplatz des Widerstreits und Zusammenspiels zwischen mechanischen und semantischen Zeitauffassungen.

Vortragende:

Prof. Dr. Alexander Honold (Basel) / Prof. Dr. Heinrich Kaulen (Marburg): Einführung in das Thema "Poetik des Kalenders"

Dr. Thomas Schmidt (Marbach a.N.): "Es feiert ja Jeder seins". Zur Funktion kalendarischer Effekte in literarischen Texten

Felix Köther, MA (Marburg): Im Textwirbel. Kulturelle Transfer- und Textmigrationsprozesse im Kalender des 18. Jahrhunderts.

Zeit für Mehrsprachigkeit! Zeitökonomisch Sprachenlernen durch Interkomprehension (ab Sekundarstufe 1)
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Zeit für Mehrsprachigkeit! Zeitökonomisch Sprachenlernen durch Interkomprehension (ab Sekundarstufe 1)

Vortragende:

Rebecca Jakobs (Saarbrücken)

Fabienne Korb (Saarbrücken)

Die Verortung der Zeit. Erzählen von Zeit(en) in der Heldenepik und in der sogenannten Spielmannsepik
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Die Verortung der Zeit. Erzählen von Zeit(en) in der Heldenepik und in der sogenannten Spielmannsepik

In der mediävistischen Forschung konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass Zeit als narratives Organisationselement auch in den Epen des Mittelalters eine bedeutende Rolle spielt. Im Fokus standen dabei insbesondere Texte der Artusliteratur, die z.B. der Verhandlung von Terminschwierigkeiten Raum bieten (Hartmanns von Aue Iwein) oder gar Zeit und Zeitlosigkeit im Erzählen selbst thematisieren (vgl. etwa KARTSCHOKE 2000, der den Parzival als Zeitroman bezeichnet). Deutlich weniger Beachtung fand ‚Zeit als narratives Element‘ hingegen lange in der Erforschung der Heldenepik. Jüngst proklamierte jedoch Jan-Dirk MÜLLER in seinem Buch „Episches Erzählen“ (2017), dass die Suche nach den spezifischen ‚Zeiten‘ auch in Erzählformen früher volkssprachiger Schriftlichkeit narratologische sowie kulturwissenschaftliche Erkenntnisse hervorbringt. Die von ihm entworfenen Kategorien der „Sagenzeit“, „Heilszeit“ und „Geschichtszeit“ bieten plausible Ansatzpunkte, um die chronotopische Dimensionen epischen Erzählens zu beschreiben.

Die Vorträge des Panels, die sich konkret mit dem Nibelungenlied, der Dietrichsepik, dem König Rother und dem Herzog Ernst B befassen, greifen diese Kategorien des ‚epischen Erzählens‘ auf, hinterfragen und problematisieren sie aber auch zugleich. Die Beiträge werden exemplarisch zeigen, dass das Erzählen von Zeit in diesen Erzählungen äußerst komplex konzeptualisiert ist, sowie MÜLLERS Entwurf um substantielle Zeitkategorien ergänzen, die eine ebenso bedeutende Rolle im Erzählen dieser Texte spielen. Gemeint sind hiermit beispielsweise genealogische Konfigurationen von Zeit, die Rolle von Lebenszeiten und eine spezifisch Herrschaft adressierende Zeit, die es u.a. benötigt, um einen Erben hervorzubringen. Stärker auf seine Aussagekraft nach der Vermittlung von Zeitlichkeit hin zu befragen wäre außerdem der spätere Überlieferungskontext, um eine Vorstellung vom an den Rezipienten gerichteten Angebot an Zeitwahrnehmung (RICOEUR) zu erhalten.

Das Panel ermöglicht eine methodologische und konzeptionelle Diskussion zur Erfassung der Narrationskategorie ‚Zeit‘ im internationalen Kontext. Hierzu tragen Germanisten aus den USA (Prof. Dr. Kathryn Starkey und Björn Buschbeck, beide Stanford University, CA) und aus Deutschland (Dr. Nadine Hufnagel, Universität Bayreuth, und PD Dr. Susanne Knaeble, Technische Universität Braunschweig) gleichermaßen bei, indem sie in gattungsspezifizierender Hinsicht sowohl Texte der Heldenepik als auch der sogenannten Spielmannsepik auf ihre narrativen Konfiguration von ‚Zeiten‘ befragen und mithilfe differenzierte Analysen und Spezifikationen in Dialog bringen.

Vortragende:

Susanne Knaeble (Bayreuth) und Kathryn Starkey (Stanford): Einleitung

Björn Klaus Buschbeck (Stanford): "Endlose Zeiträume des Erzählens? Chronologie und Entzeitlichung in der aventiurehaften Dietrichepik"

Nadine Lordick und Manuel Hoder (Braunschweig): "Hinter dem Schema. Zeitästhetik in der sog. Spielmannsepik"

Nadine Hufnagel (Bayreuth): waz sider dâ geschach - Erzählen der alten maeren im 15. Jahrhundert

Zeit(en) des Anderen TEIL I
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Zeit(en) des Anderen TEIL I

Auch wenn Zeitlichkeit an sich „zu den elementaren Erfahrungen des Menscheins“ (Deußer/Neblin) zählt, ist Zeit keine allgemeingültige Kategorie. Trotz ihrer Messbarkeit mit Uhr und Kalender ist sie ein relatives Konzept innerhalb eines spezifischen kulturellen Bezugssystems. Zeitkonzepte und der Umgang mit Zeit variieren von Kultur zu Kultur. Kulturanthropologische Studien von Evans-Pritchard, Lévi-Strauss, Alexander u.a. haben gezeigt, dass Zeitkonzepte abhängig sind von kulturell präfigurierten Wahrnehmungsmustern und die westliche Vorstellung von Zeit als einem gleichmäßig strukturierten linearen Kontinuum keine universale Geltung hat. In unterschiedlichen Kulturen sind vollständig andere Konzepte möglich: neben der Idee von Zeit als einem Kontinuum existieren u.a. zyklische Zeitvorstellungen, Vorstellungen von Zeit als einem Diskontinuum von günstigen und ungünstigen Momenten, von Zeit als Kapsel oder auch die Idee von Zeitlöchern. Die Bezugnahme auf andere Zeit(en) in der Literatur ist dabei nicht grundsätzlich als Ausdruck eines exotistischen Eskapismus anzusehen, vielmehr erfüllt sie eine wichtige gegendiskursive Funktion im Kontext von Geschichts- und Zeitreflexionen, da Alterität eine kritische Distanz zum Eigenen aufzubauen vermag. In diesem Panel soll daher der Fokus auf der Differenz zwischen eigenen und fremden Zeitvorstellungen liegen und der Frage nachgegangen werden, wie fremdkulturelle Zeitauffassungen in der Literatur ästhetisiert und in Beziehung zur eigenen gesetzt werden. Dabei können sowohl Zeitkonzepte und -erfahrungen anderer Kulturräume als auch zeitlich differenter (historischer wie potentiell zukünftiger) Kulturstufen relevant sein.

Vortragende:

Eva Wiegmann (Duisburg-Essen): Einführung: Zeit(en) des Anderen

Jan Gerstner (Bremen): „Das Stundenmaß der Italiener“ und das Zeitregime um 1800

Sabine Gruber (Tübingen): Zyklizität versus Linearität von Zeit in Texten der Romantik

Georg Mein (Luxemburg): Zeitdiskurse im Zauberberg

„Epoche machen“. Literarische Reflexion und literarhistorische Dynamisierung TEIL I
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„Epoche machen“. Literarische Reflexion und literarhistorische Dynamisierung TEIL I

Vortragende:

Dr. Christoph Pretzer (London)

Dr. Nicolas Detering (Konstanz)

Dr. Christoph Gardian (Konstanz)

Anna Axtner-Borsutzky M.A. (München)

Dr. Sarah Maaß (Duisburg-Essen)

Prof. Dr. Dorothee Kimmich (Tübingen)

A. Honold, H. Kaulen R. Jakobs, F. Korb, P. Schwende, A.-K. Müller S. Knaeble, K. Starkey E. Wiegmann C. Gardian, M. Gunreben, F. Lehmann

Themenbereich 2: Repräsentationen von Zeit

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Hybride Zeitsemantiken in der Literatur des 16. Jahrhunderts
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Hybride Zeitsemantiken in der Literatur des 16. Jahrhunderts

Zeitsemantiken erleben im 15./16. Jahrhundert quantitativ und qualitativ einen enormen Zuwachs. Mit diesem Zuwachs verbinden sich, wie es scheint, Pluralisierungen und Hybridisierungen, die die traditionellen theologischen und philosophischen Zeitkonzepte ihrer Dominanz berauben. Derlei Phänomene lassen sich an literarischen Texten besonders gut beobachten.

Vortragende:

Julia Frick (Zürich): "Hybride Zeitsemantiken in Nicodemus Frischlins Beschreibung der Straßburger Münsteruhr (1575)"

Oliver Grütter (Zürich): "Hundstage: Zur (Jahres-)Zeitlichkeit der Krankheit in Michael Haslobs Fieberelegien (1577)"

Pia Selmayr (Zürich): "Temporale Ordnungen im Lalebuch (1597)"

Christian Kiening / Ricardo Stalder (Zürich): Statistische Methoden zur Erfassung frühneuzeitlicher temporaler Semantiken

Der Augenblick als ästhetische Kategorie TEIL III
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Der Augenblick als ästhetische Kategorie TEIL III

Der sprichwörtlich „fruchtbare Augenblick“ bietet seit Lessings Laokoon (1766) eine besondere Herausforderung an die Repräsentationsformen von Zeit in der Literatur und den Künsten. Im Spannungsfeld zwischen Zeitkontinuum und Zeitenthobenheit sind Augenblicke aufgrund ihres transitorischen Charakters von jeher von Interesse, sie gelten gegenüber dem regelmäßig Wiederkehrenden als reizvoller und werden kontrastiv zum Alltäglichen inszeniert. In Abgrenzung zum „Moment“ oder zur „Einmaligkeit“ wohnt ihnen das Besondere inne, das sich in der Verbindung mit Begriffen wie Freude oder Glück äußert. Aufgrund ihres ephemeren Charakters gehen Augenblicke in der Literatur häufig mit Gefühlsdarstellung einher; sie sind im Liebesdiskurs präsent, werden aber ebenso mit plötzlichen Ereignissen oder dem Unheimlichen verbunden.

Auch ist der Augenblick immer wieder Gegenstand philosophischer Reflexion – sei es bei Kierkegaard, wo er die Einheit von Zeitlichkeit und Ewigkeit verkörpert oder bei Paul Tillich, der im kairos den erfüllten geschichtlichen Augenblick vom chronos als dem Lauf der Zeit unterscheidet, sei es in der auf Husserl zurückgehenden phänomenologischen Tradition, in dessen Zeit-Modell der Augenblick zwar nicht singulärer erfüllter Moment ist, im unaufhaltsamen Prozess des Voranschreitens von Zeit jedoch eine bewegliche Scharnierstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft bildet. Bei Maurice Merleau-Ponty als „Präsenzfeld“ oder „Jetztpunkt“ bezeichnet, wird der Augenblick zum prekären Moment erlebter und sich doch stets entziehender Zeitlichkeit.

Während Berenson (1950) den „ästhetischen Augenblick“ rezeptionsästhetisch als mystisches Einswerden von Betrachter und Kunstwerk fasst, wollen wir nach den ästhetischen Möglichkeiten und Formen seiner Repräsentation in der Literatur und anderen Künsten fragen. Im Sinne einer „ästhetischen Eigenzeit“ als „exponierte und wahrnehmbare Form [ ] komplexer Zeitgestaltung, -modellierung und -reflexion“ (SPP Ästhetische Eigenzeiten, Gamper et. al.) soll der Augenblick als ästhetische Kategorie gefasst und beschrieben werden. Im Rahmen des Themenbereichs 2: Repräsentation von Zeit, soll in diesem Panel diskutiert werden, wie der Augenblick als Erscheinungsweise von Zeit oder Zeitlichkeit in Literatur und verwandten Medien zur Darstellung kommt.

Vortragende:

Henrike Krause (Berlin): „Ein guter Alltagsaugenblick“ – Alltag und Augenblick in Christa Wolfs Tagesprotokollen Ein Tag im Jahr

Dr. Sebastian Weirauch (Leipzig): Ästhetische Repräsentationen des Augenblicks bei Peter Handke und Elfriede Jelinek

Prof. Dr. Riham Tahoun (Kairo): Die Macht des (Augen)blicks in Marlene Streeruwitz’ Morire in Levitate

Zeit im Traum TEIL I
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Zeit im Traum TEIL I

Prof. Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken): Visionen auf dem Zeitpfeil – Termine, Fristen, Zeitstruktur in den in der Chronik Thietmars von Merseburg (975-1018) berichteten Träumen und Visionen

Dr. Matthias Rein (Saarbrücken): Die zijtklocke von dem convente, / Die zu metten lute senffte, / Als das gewonheit was. Zeit im Traum in den rheinfränkisch-lothringischen Übersetzungen der Pilgerfahrt des träumenden Mönchs

Dr. des. Abdoulaye Samaké (Saarbrücken): Tempusgebrauch und Traumerzählung in altfranzösischen und mittelhochdeutschen Erzähltexten

M.A. Nadja Görz (Saarbrücken): Der Traum von der Verkehrung der Ewigkeit bei William Blake

Zeit der Natur TEIL I
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Zeit der Natur TEIL I

Spätestens seit Norbert Elias’ grundlegender Studie zur Entwicklung des Zeitbewusstseins wird Zeit oftmals als Effekt gesellschaftlicher Regulierungen und mithin als sozial „konstruiert“ begriffen. Eine solche Kulturalisierung des Zeitbegriffs wird der Strahlkraft von Zeitvorstellungen, wie sie etwa der Evolutionstheorie Darwins inhärent sind, allerdings kaum gerecht. Die Entdeckung von unbegreifbar „kleinen“ oder „großen“ Entwicklungsperioden forderte um 1900 besonders die Literatur zu temporalen Experimenten heraus. Bereits 100 Jahre zuvor waren nach Wolf Lepenies „Techniken der Verzeitlichung“ am Werk, die die statische Chronologie der Naturgeschichte ebenso dynamisierten wie die Zeitformen der Literatur. Revolutionen naturwissenschaftlicher Zeitkonzepte, so die Ausgangsbeobachtung des Panels, scheinen also mit Neufindungsprozessen literarischer Zeiten zu koinzidieren. Das Wechselspiel ist dabei vielfältig: Die von Bergson als „Dauer“ gefasste reine Zeitlichkeit des Bewusstseins etwa löste in der Literatur der klassischen Moderne einen regelrechten Boom aus, der sich strikt gegen die mechanistische Zeitvorstellung der Naturwissenschaft richtete. Adaptierbar erschien im Gegenzug die Relativitätstheorie, die etwa Marcel Proust vermuten ließ, sie würde auf eine seiner Literatur „analogen Art“ versuchen, „die Zeit zu deformieren“.

Mit der Ausrufung des Anthropozäns vollzieht sich gegenwärtig eine neue Irritation des Zeitbewusstseins. Die Vorstellung, dass die Zeit des Menschen nicht die der Natur sei, ist nicht mehr haltbar, hat der Mensch doch irreversible Spuren in den geologischen Schichten der Erde hinterlassen. Ein neues „realistisches“ Denken, das sich vor allem auf zukünftige Generationen richten muss, ist gefragt, das die Postmoderne und seine Leit-Differenz von Kultur und Natur infrage stellt. Die deutsche Lyrik antwortet unter anderem aus der Tradition der Naturlyrik heraus auf die Herausforderungen des Anthropozäns (Seel/Bayer). Auch der Roman – etwa Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe oder Dietmar Daths Die Abschaffung der Arten – widmet sich zunehmend Erzählproblemen, die sich aus einer radikalen Infragestellung der Unterscheidung Natur/Kultur ergeben. Und wenn Raoul Schrott mit Erste Erde einen „Epos“ der Entwicklung des Planeten vorlegt, so scheint er gerade die einstmals menschlich unfassbare „Deep Time“ literarisieren zu wollen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen fragt das Panel nach Interferenzen zwischen den Zeiten der Literatur und jenen der Natur:

• Welche Mittel besitzt die Literatur, die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen für naturwissenschaftliche Zeitmodelle zu sensibilisieren, etwa durch tierliche oder pflanzliche Erzähler?

• Wo werden etwa durch Mathematisierung und Diagrammatik die Zeitformen der Literatur infrage gestellt?

• Lassen sich literaturhistorische Zäsuren ausfindig machen, die sich an Paradigmenwechsel der Naturwissenschaft (Evolutionstheorie, Relativitätstheorie, Quantentheorie, Anthropozän) rückbinden lassen?

Vortragende:

Dr. Tanja Prokic (Dresden) / Dr. Johannes Pause (Luxemburg): Einführung

Prof. Dr. Claudia Albes (Lüneburg): Kosmische Zyklen und Endzeitphantasien bei Johann Peter Hebel

Dr. Anke Kramer (Siegen): Eiszeit-Literatur. Inszenierungen von Kälte und die Erkundung der Tiefenzeit in den 1820er und 30er Jahren

Reto Rössler M.A. (Flensburg): „…am Leitfaden der Analogie“. Tiefenzeit und Verzeitlichung in Kants Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755)

Jan Knobloch M.A. (Berlin): Weltverneinung. Zur Aktualisierung eines Bildes im Anthropozän

PD Dr. Dorit Müller (Berlin): Endzeit trifft Tiefenzeit. Hybride Zeitmodelle in Alfred Döblins Berge Meere und Giganten

Simon Probst (Vechta): Tiefenzeit und Zeitgenossenschaft. Kontinuität und Transformation geologischer Poetik im Anthropozän-Diskurs

Dr. Patrick Stoffel (Lüneburg): Kurd Laßwitz‘ Homchen. Ein Bildungsroman aus der Tiefenzeit

C. Kiening Y. Al-Taie, S. Blum N. Häffner, R. Morschett J. Pause, T. Prokic
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Zeitgestaltung im Hörspiel. Anknüpfungspunkte für Fachwissenschaft und Fachdidaktik
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Zeitgestaltung im Hörspiel. Anknüpfungspunkte für Fachwissenschaft und Fachdidaktik

Da das Hörspiel ein Geschehen ausschließlich über den akustischen Kanal szenisch zu Gehör bringt, stellt sich die Frage nach der spezifischen Gestaltung von Zeit in besonderer Weise. Die Unmittelbarkeit des Hörens scheint ähnlich dem Drama Dialoge zu begünstigen und damit eine weitgehende Deckung von erzählter Zeit und Erzählzeit nahezulegen, die allerdings auf dieser Ebene durch die stimmliche Realisierung der Figuren sowie häufig der Erzählerstimme Spielraum für eine zeitliche Ausgestaltung gewinnt. Hörspielspezifisch ist zudem eine prinzipiell multicodale Verfasstheit (Stimmen, Geräusche, Musik, Blenden), wodurch u.a. chronologische Vorgänge gerafft oder gedehnt erzählt werden können und es teilweise zu einer Überlagerung von Zeitstrukturen kommt.

Das Panel rückt die performative Seite in den Mittelpunkt der Überlegungen und fragt nach dem akustischen Mehrwert der Zeitgestaltung in Hörspielen.

Vortragende:

Dr. Torsten Mergen (Saarbrücken): Abbruch, Montage und Blende als Gestaltungselemente aktueller Hörspielproduktionen. Exemplarische Betrachtungen und didaktische Potenziale

Dr. Andreas Wicke (Kassel): Vielleicht ist es eine Art Musik". Wie im Hörspiel Momo (WDR/BR 1997) die Zeit vergeht

Dr. Henriette Hoppe (Schwäbisch Gmünd): Phänomene der Zeitgestaltung im Hörspiel für Kinder und ihr Potenzial für den Literaturunterricht

Ina Schenker (Bremen): Zeitkonzepte in Hörspielserien - ein spezial gelagerter Sonderfall?

Dr. Michael Bahn (Koblenz-Landau): Kurzhörspiele als Verfahren für den Unterricht

Tag-Zeiten. Ästhetische Dimensionen liturgischer Zeit in monastischen Texten des Mittelalters
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Tag-Zeiten. Ästhetische Dimensionen liturgischer Zeit in monastischen Texten des Mittelalters

Für das Leben im Kloster sind die Tagzeiten oder Stundengebete ein zentrales zeitliches Strukturmuster: Jeder Tag wird durch sie in immer gleicher Weise strukturiert. Die Semantisierung der Tagzeiten durch die Passion Christi leistet zudem eine Verdoppelung dieser Zyklik im Rahmen des heilsgeschichtlich strukturierten Kirchenjahres. Zugleich sorgt der Festkalender aber auch für eine Dynamisierung der Liturgie, insofern jeder Tag seine spezifischen Heiligenfeste hat.

Das Panel nimmt die doppelte Zyklizität und die heilsgeschichtliche Semantik der Liturgie zum Ausgangspunkt, um nach der Bedeutung liturgischer Zeit für monastische Textsorten zu fragen, die, wie Visionen, Offenbarungen oder Andachtsbücher in unterschiedlichen Bezügen zur Liturgie stehen, ohne selbst kanonischer Bestandteil derselben zu sein.

Neben Fragen zeitlicher Strukturierung und semantischer Grundierung geht es dem Panel auch um die ästhetischen und medialen Effekte, die Liturgiereferenzen in Texten entfalten, die besonders auf die (innere) Bildproduktion setzen. Für die Fallbeispiele aus der Visions- (Elisabeth von Schönau, Mechthild von Hackeborn, Gertrud von Helfta) und der Andachtsliteratur (Bertholds Zeitglöcklein) sollen hier intertextuelle, intermediale und interrituelle Wechselwirkungen mit den Tagzeiten im Fokus stehen.

Vortragende:

Dr. Tanja Mattern (Düsseldorf): "Zeit und Raum, Vision und Stimme. Heilsvermittlung in den Offenbarungen Elisabeths von Schönau"

Jun.Prof. Dr. Caroline Emmelius (Düsseldorf/Berlin) / Franziska Kellermann, M.A. (Düsseldorf): "Zeit der Vision. Zum Verhältnis von Liturgie und Vision im Liber specialis gratiae Mechthilds von Hackeborn und im Legatus divinae pietatis Gertruds von Helfta"

Dr. Christian Schmidt (Göttingen): "Liturgische Zeit, Uhrzeit, Heilszeit. Bertholds Zeitglöcklein / Horologium devotionis"

Warten. Konstruktionen von langer und kurzer Dauer in der Literatur TEIL I
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Warten. Konstruktionen von langer und kurzer Dauer in der Literatur TEIL I

Vortragende:

Nicole Mattern, Stefan Neuhaus (Koblenz): Einführung

Johannes Waßmer (Düsseldorf): Prolegomena zu einer Ästhetik des Wartens

Apl. Prof. Dr. Michael Braun (Köln): Warten und die Endlichkeit des Erzählens in Film und Literatur

PD Dr. Ruth Neubauer-Petzoldt (Erlangen-Nürnberg): Warten, warten, warten – eine existentielle Erfahrung und ihre Inszenierung im Bilderbuch

Apl. Prof. Dr. Helga Arend / Anna Braun (Koblenz): Verpasste und erreichte Kairosmomente. Von zweierlei Wartesälen

Erlesene Zeiten. Literarische Sozialisation und Zeiterfahrung in der Kinder- und Jugendliteratur TEIL I
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Erlesene Zeiten. Literarische Sozialisation und Zeiterfahrung in der Kinder- und Jugendliteratur TEIL I

Die Vermittlung von Zeit, Zeiterfahrung und Zeitlichkeit spielt in einer Reihe von Werken der Kinder- und Jugendliteratur eine große Rolle. Texte wie Michael Endes Momo oder Jule Vernes Reise um die Erde in 80 Tagen gehen inhaltlich-thematisch auf Fragen zur Zeit ein, lassen diese in der erzählten Handlung als Gestaltungselement wirksam werden und stellen darüber hinaus Reflexionen über die Zeit an, die den kindlichen Rezipienten Ansatzpunkte für weiter-führende Deutungen des Gehörten bzw. Gelesenen bieten. In Entsprechung zur kindlichen Er-lebniswelt sind es hierbei sowohl realistische als auch fantastische Welten, die die beschrie-benen Zeitphänomene illustrieren. Des Weiteren finden sich gerade für jüngere Kinder erläu-ternde Texte zur Einteilung der Zeit bzw. zur Schilderung von Zeitabläufen, wobei eine Ver-mittlung von chronometrischer wie kalendarischer Zeit erfolgt (z.B. Antje Damm: Alle Zeit der Welt, oder historisch: Arnim/Brentano: Ammen-Uhr).

Indem all diese Aspekte von Zeit dem Kind mithilfe von literarischen Texten näher gebracht werden, ist zu fragen, welche Bedeutung dem spezifisch Literarischen hierbei zukommt. Wie erfolgt durch die literarische Sozialisation die Vermittlung der Kategorie Zeit, und auf welche Weise ist das im Text jeweils konkret realisiert? Diese Frage ist für das konzipierte Panel zentral. Es soll gezeigt werden, dass die Literatur nicht nur durch explizite Thematisierungen Aspekte von Zeit vermittelt, sondern dass hierbei vor allem spezifisch literarische Techniken und Operationen die Grundlage bilden. Dadurch erfolgt eine Form der kindlichen Lesesoziali-sation, die in Anlehnung an „Literacy“-Konzepte beschrieben werden kann. Gemäß dieser Ausrichtung bietet das Panel die Plattform für entsprechende Vorträge. Einzeltextanalysen sind ebenso erwünscht wie Überblicksdarstellungen, die wiederum synchrone oder diachrone Perspektivierungen vornehmen können. Unter Fokussierung auf narrative Aspekte ist dabei zu überlegen, auf welche Weise in der Kinder- und Jugendliteratur Besonderheiten zu verzeich-nen sind, etwa was das gehäufte Auftreten von Rahmenerzählungen betrifft (zur Darstellung der unterschiedlichen Zeitebenen), in welchem Umfang Analepsen und Prolepsen vorkom-men, oder auch, wie es sich mit den Relationen von erzählter Zeit und Erzählzeit verhält. Ausgehend von konventionalisierten Formeln (wie jenem „Es war einmal …“ des Märchens) ist darüber hinaus zu thematisieren, welche sonstigen sprachlichen Realisierungen zur Ver-deutlichung von zeitlichen Aspekten in den kinderliterarischen Texten vorhanden sind.

Vortragende:

Dr. Gunilla Eschenbach (Marbach): "Die narrative Konzeptualisierung von Zeit und Zukunft im Ausgang aus dem Dreißigjährigen Krieg"

Jun.-Prof. Dr. Reem El-Ghandour (Kairo): "Begegnung mit dem Fremden in der Vergangenheit in der Kinder- und Jugendliteratur am Beispiel von ausgewählten Zeitreiseromanen"

Dr. Tobias Heinz (Kiel): "Zeitkonzeption und Zeitwahrnehmung in der „Welt der Großstadtkinder“. Streifzüge durch das pädagogisch-didaktische Werk Fritz Gansbergs"

Dr. Gudrun Weiland (Berlin): "„In welcher großen Zeit wir leben“. Zeitlichkeit von Kriegserfahrungen in Erzählungen und Gedichten von Kindern aus dem Ersten Weltkrieg"

R. Kegelmann C. Emmelius N. Mattern, S. Neuhaus K. Max
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Die Plot-Zeit im mittelalterlichen Erzählen und ihre Auflösung TEIL I
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Die Plot-Zeit im mittelalterlichen Erzählen und ihre Auflösung TEIL I

„Es macht keinen Sinn zu fragen“, so Harald Haferland in einem aktuellen Beitrag, „wie ein locus amoenus an einem bestimmten Montagnachmittag [...] aussieht. Es ist dagegen ein ganz bestimmter Morgen, an dem die Festlichkeiten der Landwirtschaftsmesse in ›Madame Bovary‹ beginnen.“ (Harald Haferland: Konzeptuell überschriebene Module im volkssprachlichen Erzählen des Mittelalters und ihre Auflösung, in: BmE 1 (2018), S. 108 ff., Teil 5 – online: www.erzaehlforschung.de). Bei Haferland werden diese und ähnliche ‚Zeit‘-Beobachtungen zum Ausgangspunkt einer pointierten Unterscheidung zwischen mittelalterlichem und modernem Erzählen. Die narrative Kontinuität modernen Erzählens setze eine vom Erzählten zunächst einmal unabhängige Zeitleiste voraus, mit denen das Erzählen „unterlegt“ werde; auf dieser Leiste würden freie Zeitvariablen etabliert, die eine Situation mitbestimmen. Im mittelalterlichen Erzählen dagegen sei die Zeit dem Erzählten gleichsam nachgeordnet, sie werde vom Plot letztlich immer so bestimmt, wie es für den Fortgang der Handlung erforderlich ist: „Sind im Mittelalter Zeit, Raum und Situation der erzählten Handlung, d. h. dem Plot, nachgeordnet und werden je nur angegeben, wenn die Handlung oder der Text/die Gattung es erfordert, so dass ggf. sämtliche derartige Angaben vernachlässigt werden können oder ausfallen, so stellt der moderne Roman sie der Handlung explizit voran.“ – Haferlands scharfsinnige Unterscheidung soll Ausgangspunkt unseres Panels sein; sie regt zur Suche nach Fällen an, die seine Überlegungen bestätigen können, oder ihnen aber entgegenstehen und ganz andere Erklärungsmodelle erfordern. Dabei sind durchaus auch Vergleiche erwünscht, die mittelalterliches und modernes Erzählen direkt miteinander konfrontieren. Zu fragen ist zum Beispiel, wie ‚frei‘ die Zeitvariablen im modernen Erzählen tatsächlich sind, aber auch, ob nicht auch im mittelalterlichen Erzählen unabhängige bzw. vorgeordnete ‚Zeitleisten‘ existieren (dynastische Abfolgen, Festtage, Tagzeiten usw.). Und: Wie legitim ist es, ein Werk der Höhenkammliteratur des 19. Jahrhunderts wie Flauberts ›Madame Bovary‹ mit „dem“ mittelalterlichen Erzählen zu vergleichen? Wie sähe der Vergleich aus, wenn auch populäre Erzählformen der Gegenwart (etwa im Fernsehen, Film, Computerspiel) einbezogen werden?

Die Beiträge des Panels sollen ebenfalls in den ‚Beiträgen zur mediävistischen Erzählforschung‘ veröffentlicht werden und damit eine erzähltheoretische Diskussion um das Thema Zeit weiterführen. Harald Haferland wird als Diskutant an dem Panel teilnehmen.

Vortragende:

Dr. Britta Bußmann (Oldenburg): Erzählen in den Lücken der Vorlage. Albrechts ‚Jüngerer Titurel‘, Wolframs ‚Parzival‘ und das Problem der Plot-Zeit

Dr. Lea Braun (Berlin): Zur Konkurrenz der Zeitmodelle in Heinrichs von Neustadt ‚Appolonius von Tyrland‘

Julia Ilgner (Kiel): Narrative Adaptions- und Transformationsverfahren im historischen Renaissanceroman der klassischen Moderne

Dr. Imre Majorossy (Ungarn): „Das dûchte in sîn ein stunde gar“. Zeitgestaltung und Zeitwahrnehmung im ‚Mönch Felix‘ und in ‚Die Verwandlung‘ (Franz Kafka)

Die Zeitlichkeit von Briefen in Literatur und Film TEIL I
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Die Zeitlichkeit von Briefen in Literatur und Film TEIL I

Das Medium Brief ist wesentlich durch das Moment der Verspätung bestimmt. Zwischen dem Verfassen und dem Ankommen eines Briefes können Tage bis sogar Jahre vergehen. Insofern gilt der Brief als ein nostalgisches Medium, eines, das Vergangenes erzählt. Zugleich können Briefe den Tod ihrer Verfasser und damit die Zeit überwinden. Manchmal bringen sie jedoch ihren Verfassern oder Adressaten den Tod und beenden somit deren Lebenszeit. Die Literatur ist hochflexibel in ihrer Darstellung von Zeitlichkeit unter anderem durch verschiedene Erzählmodelle, die jeweils auch zeitliche Implikationen haben, so zum Beispiel das Imperfekt des allwissenden Erzählers. Das Medium Film hingegen lebt von der Illusion der Präsenz und muss auffällige Mittel wie rahmende Überblendungen oder abweichende Farbgebung einsetzen, um Vergangenes zu erzählen. Literarische und filmische Erzählungen nutzen die Zeitlichkeit der Briefe, um daraus entstehende Verwicklungen, wie etwa dramenauslösende Verspätungen, Ungleichzeitigkeiten oder das Leben auf verschiedenen Zeitebenen, darzustellen. Insofern die Briefe in literarischen und filmischen Erzählungen die Zeitgestaltung modellieren, schaffen sie eine „ästhetische Eigenzeit“ (Michael Gamper u.a.).

In Stefan Zweigs Novelle Brief einer Unbekannten (1922) und Max Ophüls’ Verfilmung (USA 1948) treffen wir auf den Brief einer bereits Verstorbenen. In der Verfilmung verhindert dieser Brief zudem die rechtzeitige Flucht des Protagonisten vor einem Duell und löst somit vermutlich auch dessen Tod aus. Egon Günthers Verfilmung von Goethes Die Leiden des jungen Werthers (DDR 1976) hebt ebenfalls das Zuspätkommen einer Rettung Werthers durch seinen Freund und Briefpartner Wilhelm hervor. In Jane Austens Roman Überredung (1818) bringt auch ein Brief die Wendung, der die Vergangenheit überwindet. In der freien Adaption von Austens Roman, The Lake House von Alejandro Agresti (USA 2006), leben die Liebenden zudem in unterschiedlichen Zeitebenen mit einem Briefkasten als kommunizierende Röhre zwischen ihnen. In Ricarda Huchs Briefroman Der letzte Sommer (1910) bringt das Briefeschreiben auf einer Schreibmaschine dem Verfasser den Tod; damit endet auch die erzählte Zeit der Erzählung.

Das Panel widmet sich anhand von Vorträgen und Diskussionen den komplexen Zeitstrukturen, die Briefe in literarisches und filmisches Erzählen einbringen.

Vortragende:

Dr. Nicolas von Passavant (London): Hoffmannswaldaus Heldenbriefe als Modell narrativer Zeitkonfiguration

Dr. Robert Gillett (London): Zeit schreiben: Der Brief im Werk Barbara Honigmanns

Prof. Dr. Isabelle Stauffer (Eichstätt): Die Überwindung der Zeit in Max Ophüls' Brief einer Unbekannten

Frei-Zeit in der Gegenwartsliteratur TEIL I
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Frei-Zeit in der Gegenwartsliteratur TEIL I

Vortragende:

PD Dr. Peggy Gehrmann (Köln): „‚ruhe auf der flucht‘: Zeiterleben bei Wolfgang Hilbig“

Dr. Francesca Goll (München): „‚Soviel Anfang war noch nie‘: Anbruch einer neuen Zeit in Brigitte Burmeisters Roman ‚Unter dem Namen Norma‘ (1994)“

PD Dr. Yvonne Nilges (Eichstätt-Ingolstadt): „Die Ordnung der Dinge im Konsum-Dispositiv: Frei-Zeit und Materialität im Roman der Jahrtausendwende“

A. Becker, A. Hausmann I. Stauffer, C. Schmitt, M. Schleich Y. Nilges

Themenbereich 3: Zeit als historische Kategorie

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Historische Lexikographie im digitalen Medium. Neue Forschungen zu Repräsentationsformen zeitlicher Dynamik des Wortgebrauchs TEIL I
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Historische Lexikographie im digitalen Medium. Neue Forschungen zu Repräsentationsformen zeitlicher Dynamik des Wortgebrauchs TEIL I

Vortragende:

Prof. Dr. Thomas Gloning (Gießen): Kurzvorstellung des ZHistLex-Projekts

Dr. Ralf Plate (Trier/Frankfurt a. M.), Dr. Roland Mittmann (Frankfurt a. M.), Dr. Roland Schuhmann (Jena/Frankfurt a. M.), Dr. Armin Hoenen (Frankfurt a. M.): Zeitliche Entfaltung von Polysemie und Wortfamilien-Ausbau am Beispiel von bauen im Alt-, Mittel- und Frühneuhochdeutschen. Neue Verfahren der historisch-lexikographischen Darstellung in digitalen Umgebungen.

PD Dr. Volker Harm (Göttingen): Wortgeschichte digital – Narrative Formate in der historischen Lexikographie des Deutschen

Peter Hinkelmanns M.A. (Salzburg): Der onomasiologische Blick: Verzweigungen, Zusammenführungen, Neubildungen. Bedeutungswandel untersucht im digitalen Korpus der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank

Zeit in Form? Theoretische und praktische Perspektiven einer reflexiven Epochendidaktik
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Zeit in Form? Theoretische und praktische Perspektiven einer reflexiven Epochendidaktik

Dass Epocheneinteilungen Hilfskonstrukte der Literaturgeschichtsschreibung sind und damit nicht unhinterfragt eingesetzt werden sollten, ist seit geraumer Zeit Konsens in Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Auch die Bildungspläne der Länder fordern inzwischen ein, Möglichkeiten und Grenzen von Epochenmodellen im Unterricht auszuloten (vgl. z. B. Bildungsplan Deutsch G8 Baden-Württemberg 2016). In die Unterrichtspraxis wie auch in gängige Lehrwerke und Handreichungen ist diese Reflexion jedoch bislang wenig eingeflossen.

Eine differenzierte und reflexive Epochendidaktik (vgl. Sosna 2018) eröffnet Perspektiven auf einen bewussten Umgang mit literaturgeschichtlichen Periodisierungen, der das Phänomen „Zeit“ auf mehreren Ebenen in den Blick nimmt: Wie kann Zeit in ihrer literaturgeschichtlichen Dimension für Schülerinnen und Schüler erfahrbar werden? Welche Kompetenzen brauchen Schülerinnen und Schüler, um Epochenbegriffe nicht nur in ihrer zeitlich strukturierenden Hilfsfunktion, sondern auch in ihrer jeweiligen zeitlich-historischen Bedingtheit differenziert zu handhaben? Welche Texte, Materialien und Methoden eignen sich, um Epochensystematiken als spannungsvolle Konzepte zwischen Homogenität und Heterogenität, zwischen Statik und Dynamik zu begreifen, bei denen u. a. Definitionen und Kanonisierungen eine wichtige Rolle spielen? Wie kann die – auch zeitliche – Orientierungsfunktion von Epocheneinteilungen didaktisch sinnvoll genutzt werden, ohne die fachwissenschaftliche Kritik daran preiszugeben? Das Panel soll theoretische und exemplarisch unterrichtspraktische Möglichkeiten einer synchron, diachron und transchron differenzierten didaktischen Herangehensweise an Epocheneinteilungen im Deutschunterricht ausloten – mit dem Ziel, bei Schülerinnen und Schülern ein Bewusstsein für die Komplexität von „Zeit-Räumen“ zu wecken.

Vortragende:

Dr. Anette Sosna (Esslingen a.N.): Chance oder 'Sorgenkind'? Zur fachdidaktischen Situation der Literaturgeschichte im Deutschunterricht

StD' Rüdiger Utikal (Stuttgart): Literaturgeschichte in der Unterrichtspraxis: Beispiele und Impulse

Temporale und nicht-temporale Darstellungsformen in der Literaturgeschichtsschreibung TEIL I
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Temporale und nicht-temporale Darstellungsformen in der Literaturgeschichtsschreibung TEIL I

In der Literaturgeschichtsschreibung haben derzeit nicht-temporale Ansätze Konjunktur wie etwa lokale Literaturgeschichten, vergleichende Kulturtransfergeschichten, polyperspektivisch erzählte Literaturgeschichten oder Literaturgeschichten von Universalien. Zugleich ist durch die Empirisierung und Digitalisierung der letzten Jahrzehnte für viele Gattungen und Bestände deutlich geworden, dass einige Phänomenbereiche um ein Vielfaches reichhaltiger, komplexer und heterogener sind, als dies bisher in Literaturgeschichten abgebildet wird. Vor allem die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und die synchron im literarischen Feld relevanten Praktiken, Formen und Gattungen zeigen die Grenzen von Epocheneinteilungen und einlinigen textuellen Entwicklungen auf. Da aber auch Gattungen, Formen, Literaturinstitutionen etc. ihre jeweils eigene Geschichte haben, ohne deren Kenntnis eine Position im synchronen Feld nicht verständlich ist, müssen sowohl die synchrone als auch die diachrone Ebene modelliert werden.

Ziel dieses Panels ist es deshalb herauszuarbeiten, welche Rolle temporale Darstellungen spielen bzw. sinnvollerweise spielen sollten, wenn Literaturgeschichten eines Kulturraumes, eines zeitlichen Abschnitts, einer Gattung oder einer Form geschrieben bzw. anhand von Objekten erzählt werden. Dabei soll – wie in den Beispielfragen unten veranschaulicht – es um die Makro- und die Mesoebene von Literaturgeschichtsschreibung gehen. Die Perspektive vom Einzeltext aus, d.h. Fragen der Kontextualisierung hermeneutisch-analytischer Analyseergebnissen in größeren Zusammenhängen ist dezidiert nicht Gegenstand des Panels.

Die folgenden Fragen sind grundlegend für die Arbeit im Panel:

  • Welche soziologischen, philosophischen, historischen, kulturgeschichtlichen Ansätze gibt es für die Darstellung literaturgeschichtlicher Entwicklungen und Zusammenhänge, die neben chronologischen Abfolgen auch Gleichzeitigkeit, Universalität und Diversität modellieren?
  • Wie kann das Verhältnis von nationalen und internationalen, von globalen und regionalen Entwicklungen gefasst werden?
  • Welche Darstellungsverfahren bieten sich auf einer mittleren, insbesondere einer gattungs- oder formenbezogenen Ebene an?
  • Welche Rolle spielen Konjekturen (Vermutungen) für temporal organisierte Darstellungen? Diese Frage stellt sich überwiegend, aber nicht nur für historische Abschnitte mit sehr diskontinuierlicher Überlieferung.

Vortragende:

PD Dr. Katrin Dennerlein (JMU Würzburg): Begrüßung und Einführung.

Dr. Christine Angela Knoop (MPI für Empirische Ästhetik FaM): Literaturgeschichte poetischer Formen.

Dr. Julian Schröter (Universität Würzburg): Nicht-diachroner Gattungsbegriff und diachrone Darstellung in der Geschichte der Novelle.

Temporäre Fetzen? Die Enden des langen 19. Jahrhunderts in Kriegsnarrativen der literarischen Moderne
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Temporäre Fetzen? Die Enden des langen 19. Jahrhunderts in Kriegsnarrativen der literarischen Moderne

Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs hat die Koordinaten ästhetischer und sozialer Wahrnehmung grundlegend verschoben – 1918 war die Lebenswelt der Belle Epoque endgültig verabschiedet, der Zusammenbruch dynastischer Konstruktionen auch militärisch besiegelt. (Brittnacher 1999, S. 189). Der von Reinhart Koselleck für die Moderne attestierte Zusammenfall von synchroner und diachroner Zeitwahrnehmung, für welchen in den Kulturwissenschaften vermehrt die einschneidenden Erfahrungspotentiale des Ersten Weltkriegs und seiner literarischen Verarbeitung in Anspruch genommen werden (Honold 1995, 2015), korrespondieren mit der Unvereinbarkeit der Betrachtung von Zeit zwischen objektiver Verifizierbarkeit und subjektiver Wahrnehmung. Während und nach der Urkatastrophe, die das „lange 19. Jahrhundert“ (Hobsbawm, Kocka) beendete, stand man vor einem Novum, also vor einem zeitlichen Minimum, das sich zwischen Vorher und Nachher generiert. Das Kontinuum von bisheriger Erfahrung zur Erwartung des Kommenden wird durchbrochen und muß sich neu konstituieren. Es ist dieses zeitliche Minimum von unumkehrbarem Vorher und Nachher, das die Überraschungen in unseren Leib hineintreibt (Koselleck 2003, S. 23), auch in Gestalt neuer Versehrtheiten des Körpers, der dadurch zum Medium veränderter Temporalitäten wird.

Interessanterweise setzt dieser Wechsel des Zeitbewusstseins in der französisch- und englischsprachigen Literatur schon früher ein als um 1914-1918. Während sich in der deutschen Literatur erst durch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs eine literarisch produktive Aufbereitung neuer Destruktions- und Relativierungserfahrungen von temporärer Kontinuität durchsetzt, findet derlei ansatzweise schon in der Rezeption des Kriegs von 1870/1871 in Frankreich oder auch des amerikanischen Sezessionskriegs von 1861-1865 statt. Sprachenthusiasten wie der Katholik, Prophet und Preußen-Hasser Léon Bloy mit seiner 1893 unter dem Titel Sueur de Sang erschienenen Prosasammlung über den Deutsch-Französischen Krieg nehmen die Erfahrung des modernen Massenkrieges und eine damit verbundene neue Ästhetisierung von Gewalt und fragmentierter Zeitlichkeit ähnlich vorweg, wie der amerikanische Schriftsteller Ambrose Bierce mit seinen desillusionierenden und brachialen Erzählungen über den amerikanischen Bürgerkrieg, so dass im geplanten Panel die Fragen gestellt werden: Kann man Zeit(en) überhaupt noch erzählen? Wie reagieren Autoren stilistisch, motivlich, imagologisch und narrativ auf die neuen Zeit-Regime (Rosa 2005) von Beschleunigung, Fragmentierung, Eruption und Diachronizität? Wie lassen sie in ihren Texten das „lange 19. Jahrhundert“ und mit ihm assoziierte Zeitkonzepte angesichts der jeweiligen Kriegserfahrung enden? Wo und wie endet es früher oder später? Welche Auswirkungen haben diese diversen Enden auf die ästhetische Gestaltung von Zeit und Zeitempfinden?

Die angedachten Schriftsteller (u.a. Ernst Jünger, August Stramm, Erich Maria Remarque, Walter Benjamin, Hofmannsthal, Robert Musil, Céline, Léon Bloy, Maupassant, Charles Péguy, Siegfried Sassoon, Ambrose Bierce) stellen sich selbst dieser Darstellungsproblematik bzw. machen sie, aufgrund der durch moderne Massenkriege veränderten Wahrnehmungsmodalitäten von Zeit, zum Gegenstand literarischer Reflexion. Sie sollen im Panel vergleichend diskutiert werden, zwecks Verdeutlichung verschiedener (literarischer) Enden des langen 19. Jahrhunderts in Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten. So sind auch Vorschläge mit komparatistischen Akzenten willkommen, denn das Angebot verschiedener Zeitschichten erlaubt es, verschiedene Wandlungsgeschwindigkeiten zu thematisieren, ohne in die Scheinalternative linearer oder kreisläufiger Zeitverläufe zu verfallen (Koselleck 2003, S. 26), was eben auch einen ästhetisch-narrativen Bruch mit den teleologisch-kontinuierlich angelegten Temporalitäten des „langen“ 19. Jahrhunderts impliziert.

Literaturhinweise

- Karl Heinz Bohrer: Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt am Main 1981.

- Hans Richard Brittnacher: „Priester und Paria. Der Offizier in der Literatur des Fin de siècle“, in: Ursula Breymayer/Bernd Ulrich/Karin Wieland (Hgg.): Willensmenschen. Über deutsche Offiziere, Frankfurt am Main 1999, S. 189-207.

- Alexander Honold: Die Stadt und der Krieg. Raum- und Zeitkonstruktion in Robert Musils Roman »Der Mann ohne Eigenschaften«, München 1995.

- Alexander Honold: Einsatz der Dichtung. Literatur im Zeichen des Ersten Weltkriegs, Berlin 2015.

- Reinhart Koselleck: Zeitschichten. Studien zur Historik. Mit einem Beitrag von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt am Main 2003.

- Hartmut Rosa: Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt am Main 2005.

- Waltraud Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis - Ein Ausnahmezustand im Spannungsfeld kultureller Sinnkonstruktionen, Würzburg 2005.

Vortragende:

PD Dr. Torsten Voß (Wuppertal): Einleitung: Mal früher - mal später. Narrative des Endes vom langen 19. Jahrhundert in der europäischen Literatur

Ana Ilic (Münster): Zwischen Akklimatisierung und Immunitäten. Zeitmetaphern im deutschen Kolonialroman der Jahrhundertwende

Stephan Lesker (Rostock): "Personennamen und Bezeichnungen der Truppenteile entsprechen - außer in den Dokumenten - nicht der Wirklichkeit". Edlef Köppens "Heeresbericht" als Dokufiktion?

Dr. Cornelius Mitterer (Wien): Die Resistenza in Cesare Paveses "Das Haus auf dem Hügel" als soziohistorischer Epochenumbruch

Prof. Dr. Lutz Hagestedt (Rostock): Echtermeyer und Neue Zeit. Über das Beharrungsvermögen des Kanons 1836 bis 1936

T. Gloning A. Sosna, R. Utikal K. Dennerlein T. Voß

Themenbereich 4: Zeit als Motiv

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Knappe Zeit. Zeitengpässe, Zeitverluste und Zeitmanagement in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart TEIL I
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Knappe Zeit. Zeitengpässe, Zeitverluste und Zeitmanagement in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart TEIL I

Zeit ist ein zunehmend knappes Gut. In allen gesellschaftlichen Teilbereichen – Familie, Bildung, Wirtschaft etc. – wächst die Herausforderung, beständig neue Angebote, Aufgaben, Anforderungen und Erwartungen mit begrenzten Zeitressourcen effektiv in Einklang zu bringen. Zeitmanagement wird mehr und mehr zur Schlüsselkompetenz – auch und gerade für Heranwachsende. Die Beiträge des Panels fragen aus Sicht der KJL-Forschung danach, wie sich die hier skizzierte Entwicklung in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart und ihrer Rezeption spiegelt und welche literaturdidaktischen Perspektiven hierzu entwickelt werden können.

Vortragende:

Prof. Dr. Jan Standke (Braunschweig): Begrüßung / Einleitung

Dr. Iris Schäfer (Frankfurt a.M.): Psychologische und ästhetische Charakteristiken der krankheitsbedingten zeitlich-biografischen Neuorientierung in Cornelia Travniceks Roman Chucks

Dr. Antje Arnold (Köln): „In etwa fünf Minuten ist mein Akku leer.“ Medialität und Zeitknappheit als Handlungsträger von Fluchtgeschichten.

Dr. Sebastian Bernhardt (Braunschweig): Perspektivierung und Perspektivgebundenheit der Zeitwahrnehmung in ausgewählten Texten der KJL

(Lebens-)Zeit. Die Zeit des Lebens in literarischer und sprachlicher Dimension TEIL I
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(Lebens-)Zeit. Die Zeit des Lebens in literarischer und sprachlicher Dimension TEIL I

Mit der Suche Prousts nach der verlorenen Zeit wird Zeit in Texten in eine neue Dimension aufsteigen. Autobiographien und Biographien sind eine lange etablierte Textform schon vor diesem Text, doch jetzt wird gezeigt, dass ein Leben mehr ist als nur die reine Abfolge von Ereignissen in strikter zeitlicher Reihenfolge. In dieser Veranstaltung soll darum untersucht werden, welche Rolle die Zeit für das Leben in Texten spielt. Es soll dabei vorrangig um Texte gehen, die sich nicht als Biografie oder Autobiografie verstehen oder so zu bezeichnen sind und die trotzdem die Zeit des Lebens eines Menschen als Ereignis in ihren Mittelpunkt stellen.

Ob der Tod zum Leben gehört ist eine viel diskutierte Frage mit unterschiedlichen Antworten. In jedem Fall ist der Tod ein markanter Zeitpunkt. Wenn man ein Bewusstsein davon hat, das die Lebenszeit angesichts des Todes nur begrenzt ist, drängt sich die Frage auf, wie man Zeit einteilt, welche Prioritäten man setzt oder ob man gerade dies nicht tut und Zeit trotzdem als unendlich annimmt. Ist Lebenszeit ein kostbarer Besitz oder einfach etwas, dass man hat? Bestimmt jemand über die (Lebens-)zeit und wenn ja wer und wie? Welche Rolle spielen die Regeln der Sprache für die Gestaltung eines Erzähltextes in Hinblick auf die Darstellung der Zeit? Ist Zeit etwas über das ein Autor in der Gestaltung seines Textes frei verfügen kann oder werden ihm erzählerisch und sprachlich bedingte Grenzen gesetzt oder Wege vorgeschrieben? Welche Erkenntnisse kann die Sprachwissenschaft der Literaturwissenschaft für die Gestaltung von Zeit in Texten vermitteln und wie sie es umgekehrt aus, was kann die Literaturwissenschaft an Bedeutung in einem Text aufdecken, die der sprachwissenschaftlichen Durchdringung eines Textes helfen. Diese Veranstaltung möchte den Umgang mit der Zeit am Beispiel des Lebens von Menschen aus literaturwissenschaftlicher und sprachwissenschaftlich gleichermaßen thematisieren.

Vortragende:

Fernando Toledo (Dortmund): „Die (Re-)Konstruktion des Lebens: Gedächtnis und Zeitüberbrückung anhand von ‚Nachtzug nach Lissabon‘ “

Weiping Liu (Changzhou): „Erzählzeit und erzählte Zeit in Goethes ‚Die Leiden des jungen Werther‘ und Guo Morou ‚Luo Ye‘ (‚Gefallene Blätter‘)“

Han Zhou (Peking): „Zeit und Raum - eine linguistische und interkulturelle Analyse“

Melanija Fabcic (Maribor): „ ‚Ein Mensch wird‘ – eine kognitiv-stilistische Analyse der Autobiographie von Alma M. Karlin“

Literarische Performanzen der Zeitlosigkeit
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Literarische Performanzen der Zeitlosigkeit

Vortragende:

Dr. Aleksandra Bednarowska (Krakau): Dimensionen der Zeit und Zeitlosigkeit in der Erzählung Susanna von Gertrud Kolmar

Prof. Dr. Joanna Godlewicz-Adamiec (Warschau): Zeitenthobenheit, Zeitlosigkeit und Zeitlichkeit in der Zeitlosigkeit. Mystik des Glaubens und Mystik der Liebe in der mittelalterlichen Literatur

Prof. Dr. Pawel Piszczatowski (Warschau): Gibt es ein absolutes Gedicht? Poetologien der Zeit(losigkeit) von Gottfried Benn und Paul Celan

Dr. Tomasz Szybisty (Krakau): Architektur der Zeitlosigkeit. Einige Bemerkungen zu Motiven der gotischen Kathedrale in der Literatur um 1800

Zeiterfahrung und gesellschaftlicher Umbruch in Fiktionen der Post-DDR-Literatur
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Zeiterfahrung und gesellschaftlicher Umbruch in Fiktionen der Post-DDR-Literatur

Zeit ist eine kulturelle Konstruktion, die abhängig von der jeweiligen Gesellschaftsformation Sinn generiert. Zeitempfindung und Zeitverständnis ändern sich beim Übergang in ein neues gesellschaftliches System. Das Jahr 1989 wird gemeinhin als ein Schwellenjahr bezeichnet, welches durch die Koinzidenz von technologischer und politischer Revolution, gefolgt vom Zusammenbruch des Ostblocks, definitiv den Übergang von der Moderne in die Spätmoderne vollzieht. Die Grunderfahrung der Zeitwahrnehmung ist nunmehr die zunehmende Beschleunigung in allen gesellschaftlichen Bereichen (H. Rosa). Betrifft diese Entwicklung sowohl die westlichen als auch die sich im Umbruch befinden östlichen Gesellschaften, so muss dennoch gefragt werden, inwiefern diese besondere Zeiterfahrung der Spätmoderne im Osten durch den Zusammenbruch des alten und den Übergang in ein neues Gesellschaftssystem noch einmal potenziert wahrgenommen wird.

Das Panel soll anhand unterschiedlicher Werke der Nachwende- bzw. Post-DDR-Literatur untersuchen, inwiefern Literatur als fiktionale Verarbeitung kultureller Erfahrungen und besondere Form der „Selbstbeobachtung von Gesellschaften“ (H. Böhme) diesen Übergang und die damit verbundene unterschiedliche Zeitwahrnehmung reflektiert. Inwiefern thematisiert die Literatur das Wegfallen einer für die DDR typischen linearen Zeiterfahrung, die auf eine geschlossene, utopisch definierte Zukunft ausgerichtet war, und die an deren Stelle getretene Erfahrung einer absoluten Beschleunigung, verbunden mit dem Eindruck eines „rasenden Stillstands“ (P. Virilio) bzw. einer „breit[en] Gegenwart“ (H.U. Gumbrecht). Inwiefern wird Vergangenheit mobilisiert, um diese der zunehmenden Empfindung von Diskontinuität der subjektiven Erfahrung nach 1989 entgegenzusetzen und wie inszeniert Literatur die Suche nach eigener, individueller Zeit, die sowohl der alten als auch der neuen Zeiterfahrung kritisch gegenübersteht. Ziel der 4-5 Beiträge des Panels soll es sein, Texte von AutorInnen unterschiedlicher Generationen nicht nur auf die Thematisierung dieser veränderten Zeiterfahrung hin zu befragen, sondern auch die genuin literarischen Formen, die dabei eingesetzt werden, herauszuarbeiten: wie wird diese unterschiedliche Zeiterfahrung literarisch und sprachlich inszeniert, auf welche kulturellen Modelle greifen die AutorInnen zurück?

Das Panel eignet sich ebenfalls für schulpraktische Überlegungen, da das heuristische und kritische Potential der Literatur den vorwiegend medial vermittelten euphorischen Blick auf den Umbruch 1989 noch einmal nuancieren kann. Literarische Texte bieten die Möglichkeit, die durch den Zusammenbruch gewohnter Lebenswelten erzeugten Verstörungen jenseits des „Ostalgie“-Begriffes individuell fassbar zu machen.

Vortragende:

Dr. Janine Ludwig (Bremen): „Wir müssen alles neu sehen.“ Zeitenwende, Übergangszeit und Umbruch in Bernd Schirmers Wenderoman "Schlehweins Giraffe"

Dr. Johanna Vollmeyer (Madrid): ‚Wie ein Zeiger auf dem Zifferblatt des Lebens‘ - Zeitempfindung vor und nach der ‚Wende‘ in Reinhard Jirgls Romanen

Dr. Bénédicte Terrisse (Nantes): Hinfälligkeit versus Ungleichzeitigkeit: die DDR als Zeitgebilde bei Wolfgang Hilbig und Lutz Seiler

PD Dr. Matthias Aumüller (Wuppertal): Zwischen Zeitenthobenheit und Zeitbezug. Angelika Klüssendorfs Das Mädchen (2011)

Dr. Lucia Bentes (Lissabon): Die sinnliche Wahrnehmung der Zeiterfahrung und des gesellschaftlichen Umbruchs in Der Turm von Uwe Tellkamp

Matthias Kandziora, M.A. (München): „Ich möchte sein, wo es noch Geheimnisse gibt“. Globale Erfahrung und ostdeutsche Identifizierungen in Christa Wolfs "Stadt der Engel"

Frühling
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Frühling

Vortragende:

Dr. Constanze Baum (Berlin): „Wedekinds Frühling zwischen Ikonozität und Fatalität“

Dr. Frank Fischer (Moskau): „»Als einst am 1. Mai die Welt begann« – Berechnung und Interpretation der Überpräsenz des Wonnemonats im deutschsprachigen Roman“

Dr. Tanja Angela Kunz (Berlin): „Selbsterweckung zum Tode. Thomas Lehrs Novelle Frühling“

PD Dr. Annina Klappert (Erfurt): Ambivalenzen: Syrinx und Pan in Gertrud Leuteneggers Roman Panischer Frühling

J. Standke, K. Manz G. Klatt, Weiping Liu

J. Godlewicz-Adamiec,

P. Piszczatowski

C. Hähnel-Mesnard C. Baum, T.A.Kunz


14:00–16:00

P = Panel; W = Workshop; ✐ = thematischer Schulbezug

Themenbereich 1: Theorien und Konzepte von Zeit

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Poetik des Kalenders TEIL II
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Poetik des Kalenders TEIL II

Kafkas Proceß-Roman, Thomas Manns Zauberberg, Musils Mann ohne Eigenschaften, Uwe Johnsons Jahrestage oder Christa Wolfs Ein Tag im Jahr − alle diese Erzähltexte verbindet, dass kalendarische Grundeinheiten zu ihren zentralen Gestaltungselementen gehören. Auch in der Lyrik sind Stundenbücher, Jahreskreise und Jahreszeiten als Ordnungsmuster und semantische Grundierung seit jeher beliebt. Und schließlich ist auch das Drama in seiner ‚offenen‘ wie in seiner ‚geschlossenen‘ Form nicht selten durch kalendarische Muster strukturiert, die keineswegs auf das sog. Geschichtsdrama beschränkt bleiben. Das Panel unternimmt den Versuch, in einem weitgefassten Sinne nach der kulturellen Poetik des Kalenders zu fragen, nach dessen Produktivität für die diversen literarischen Formen und Genres ebenso wie nach seiner Funktion für mentale und soziale Anhaltspunkte im Gang der Zeit.

Im Institut des Kalenders sind elementare astronomische Messtechniken, gesellschaftlich-kulturelle Zeitordnung und mediale Präsentationsformen zu einem komplexen Gebilde zusammengeschlossen. Der Kalender organisiert die Periodik von wiederkehrenden Festen und die Fokussierung auf gemeinschaftsstiftende Memorialdaten (Gründungsakte, Gedenktage), er hält mit dem Wechsel der Jahreszeiten, der Tageslichtlänge und der Mondphasen die elementare Bindung des menschlichen Lebens an naturale Rhythmen präsent. Die longue durée fast sämtlicher kalendarischer Grundeinheiten, wie sie etwa in der Einteilung und den Namen von Monaten und Wochentagen zum Ausdruck kommt, evoziert zudem eine mythische Dimension, die auch in neuzeitlichen und modernen Thematisierungen kalendarischer Phänomene noch wirksam ist. Indem der arbiträre Konstruktcharakter jeder zeitlichen Setzung und Grenzziehung im Kalender ästhetisch plausibilisiert wird, zeigt er sich als Schauplatz des Widerstreits und Zusammenspiels zwischen mechanischen und semantischen Zeitauffassungen.

Vortragende:

Dr. Sebastian Schmitt (Basel): "Jesus, Wodan und Maria!" im "Jahr 526 unseres Herren". Felix Dahns Poetik der Zeitrechnungen

Prof. Dr. Alexander Honold (Basel): Astrokalendarische Dimensionen in Thomas Manns Josephs-Tetralogie

Dr. Nicola König (Marburg): Kalendergeschichten im 21. Jahrhundert: Von Alexander Kluge und Daniel Glattauer zu Zsuzsa Bank

Zeiten im Nachsommer
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Zeiten im Nachsommer

Stifters „Erzählung“ Der Nachsommer, deren Handlung der Autor vom Erscheinungsjahr 1857 um 20 Jahre zurückdatierte, ist ein Roman über Zeit und Zeiten: Die titelgebende Wetterlage indiziert eine lebens- und kulturgeschichtliche Nachzeitigkeit, der im discours Strategien der Verzögerung, Wiederholung und Verschiebung entsprechen, während in der histoire die rechte Zukunftsprognose zur Schlüsselfrage avanciert. Der Horizont des Bildungsromans entgrenzt sich einerseits auf die geologische Tiefenzeit; komplementär zur restaurativen Tendenz des ästhetischen Historismus (Borchmeyer 1980) wird andererseits die Fortentwicklung der Menschheit und der Erdoberfläche den Naturwissenschaften als aktuell ausschlaggebendem „Gewicht an der Weltuhr“ überantwortet. Folgt der epische Erzählduktus im Einspruch gegen moderne Beschleunigung (Schneider 2013) dem Geonarrativ des Gradualismus als makrologischem Zeitpfeil, so ist Risachs Landgut zum idyllischen Chronotopos (Bachtin 1989, Michler 2001) ausgestaltet, der Objekt-, Natur- und Lebenszeiten der saisonalen Rhythmik unterstellt und ökonomisch auf die Durchsetzung von Qualitäts-produkten spekuliert (Bergengruen 2011). Auf biographischer Ebene wird die Verfehlung des lebenszeitlichen Kairos in der älteren Generation (Zumbusch 2011) durch gezielte Lenkung der Jüngeren revidiert – als Zeichen eines Lebensaugenblicks (Neumann 2004) bar jeder Spontaneität blüht pünktlich zur Hochzeit ein Zuchtkaktus auf (Selge 1992). Sind die Biozyklen geschlechtlicher Wesen damit reguliert, so markiert das Wetter, über dessen Prognose es erst zu einem Ereignis (Lotman 1972) kommt, ein akutes Momentum, in dem die für den Fortbestand nötige Diskontinuität unkontrollierbarer Impulse insistiert.

Auf Basis jüngster wissensgeschichtlicher Analysen (Attanucci 2012, Mayer 2014, Grill 2016, Schuster 2018) ist neu nach den ästhetischen Verfahren zu fragen, die hier um 1850 die heterogenen, komplexen Temporalitäten von Geologie, Biologie, Meteorologie, Lebens- und Menschheitsgeschichte für eine literarische Gegenwartsdiagnose verschränken. Der Work-shop sieht in 120 Minuten sechs Kurzvorträge vor, die an einzelnen, für Interessierte vorab zur Verfügung gestellten Textauszügen aus Stifters Roman diskutiert werden sollen.

Vortragende:

Klara Schubenz (Mainz/Konstanz): Gegen die Zeit: Stillstellungsphantasien in Stifters Nachsommer

Oliver Grill (München): Typologie und Fortschritt. Zur Zeitlichkeit zweier konkurrierender Deutungsmodelle in Stifters Nachsommer

Timothy Attanucci (Mainz): Die wiederhergestellte Zeit: Gegenwart und Zukunft des Vergangenen in Stifters Nachsommer

Oliver Völker (Frankfurt a.M.): Das stille Leben der Dinge. Mediale Eigenzeiten der Natur in Stifters Nachsommer

Thomas Gann (Hamburg/Lüneburg): „Das ewig Dauernde in uns“. Immanenz und Transzendenz in Stifters Nachsommer

Loop: Transmediale Zeitkonzepte in Literatur und Musik
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Loop: Transmediale Zeitkonzepte in Literatur und Musik

Vortragende:

Prof. Dr. Raul Calzoni (Bergamo): Zwischen Fuga furiosa und Abgesang. Walter Kempowskis Das Echolot als ‘transmusikalisches‘ Experiment

Prof. Dr. Sigrid Nieberle (Dortmund): Der Augenblick der enharmonischen Verwechslung bei Bettina von Arnim

Dr. Anna Maria Olivari (Dortmund): Zeit und Loop in den Vertonungen von Thomas Manns Doktor Faustus

Dr. Beate Schirrmacher (Linné): Stimmen, Bilder: Transmediale Trauma- und Zeitgestaltung in Günther Grass Im Krebsgang

Prof. Dr. Johannes Windrich (Berlin): Der Sound des Saturn. Zu den immanenten Transmediatisierungsprozessen in Rainald Goetz‘ Erzählung Rave

Zeit(en) des Anderen TEIL II
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Zeit(en) des Anderen TEIL II

Auch wenn Zeitlichkeit an sich „zu den elementaren Erfahrungen des Menscheins“ (Deußer/Neblin) zählt, ist Zeit keine allgemeingültige Kategorie. Trotz ihrer Messbarkeit mit Uhr und Kalender ist sie ein relatives Konzept innerhalb eines spezifischen kulturellen Bezugssystems. Zeitkonzepte und der Umgang mit Zeit variieren von Kultur zu Kultur. Kulturanthropologische Studien von Evans-Pritchard, Lévi-Strauss, Alexander u.a. haben gezeigt, dass Zeitkonzepte abhängig sind von kulturell präfigurierten Wahrnehmungsmustern und die westliche Vorstellung von Zeit als einem gleichmäßig strukturierten linearen Kontinuum keine universale Geltung hat. In unterschiedlichen Kulturen sind vollständig andere Konzepte möglich: neben der Idee von Zeit als einem Kontinuum existieren u.a. zyklische Zeitvorstellungen, Vorstellungen von Zeit als einem Diskontinuum von günstigen und ungünstigen Momenten, von Zeit als Kapsel oder auch die Idee von Zeitlöchern. Die Bezugnahme auf andere Zeit(en) in der Literatur ist dabei nicht grundsätzlich als Ausdruck eines exotistischen Eskapismus anzusehen, vielmehr erfüllt sie eine wichtige gegendiskursive Funktion im Kontext von Geschichts- und Zeitreflexionen, da Alterität eine kritische Distanz zum Eigenen aufzubauen vermag. In diesem Panel soll daher der Fokus auf der Differenz zwischen eigenen und fremden Zeitvorstellungen liegen und der Frage nachgegangen werden, wie fremdkulturelle Zeitauffassungen in der Literatur ästhetisiert und in Beziehung zur eigenen gesetzt werden. Dabei können sowohl Zeitkonzepte und -erfahrungen anderer Kulturräume als auch zeitlich differenter (historischer wie potentiell zukünftiger) Kulturstufen relevant sein.

Vortragende:

Eva Wiegmann (Duisburg-Essen): Antike Zeitkonzepte bei Stefan George

Achim Küpper (Luxemburg): Fenster in eine andere Zeit: Ästhetische Zeiterfahrungen zwischen Traum und Trauma

Johanes Garbe (Tübingen): Eigenzeiten der Demenz

„Epoche machen“. Literarische Reflexion und literarhistorische Dynamisierung TEIL II
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„Epoche machen“. Literarische Reflexion und literarhistorische Dynamisierung TEIL II

Vortragende:

Dr. Norman Kasper (Halle)

Thomas Traupmann M.A. (Zürich)

Dr. Marie Gunreben (Konstanz)

Dr. Laura Beck (Liège)

Caroline Haupt M.A. (Konstanz)

Prof. Dr. Gerhard Kaiser (Göttingen)

Dr. Michael Neumann (Konstanz)

A. Honold, H. Kaulen J. Schuster S. Nieberle, A. M. Olivari E. Wiegmann C. Gardian, M. Gunreben, F. Lehmann

Themenbereich 2: Repräsentationen von Zeit

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Kurz und digital: Kleine digitale Formen, deren Zeit abläuft: Instagram-Storys, Snapchat und WhatsApp-Statusmeldungen (Sek. 1 bis berufliche Aus- u. Weiterbildung)
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Kurz und digital: Kleine digitale Formen, deren Zeit abläuft: Instagram-Storys, Snapchat und WhatsApp-Statusmeldungen (Sek. 1 bis berufliche Aus- u. Weiterbildung)

Vortragende:

Johanna Mosbach (Saarbrücken)

Michael Nagel (Saarbrücken)

Ann-Kristin Müller (Saarbrücken)

Prof. Dr. Julia Knopf (Saarbrücken)

Zeit im Traum TEIL II
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Zeit im Traum TEIL II

Vortragende:

M.A. Stavros Patoussis (Saarbrücken): „[…] Oh Mittag! Oh Nachmittag! Nun kam Abend und Nacht und Mitternacht […]“ – Zum Zeitverhältnis von Wach- und Traumzustand in Also Sprach Zarathustra

M.A. Dominik Stutz (Saarbrücken): Das träumende Ich als Gestaltwandler. Raum-, Zeit- und Motivtransformation in Franz Kafkas Beschreibung eines Kampfes

Prof. Christiane Solte-Gresser (Saarbrücken): Traumzeit und Geschichtserfahrung. Zu Anna Seghers Erzählung Der Ausflug der toten Mädchen (1946)

Dr. Antonius Weixler (Wuppertal): Atemporalität, Simultaneität, Zirkularität. Über Formen der Transgression physikalischer Zeit in Traumnarrationen

Zeit der Natur TEIL II
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Zeit der Natur TEIL II

Spätestens seit Norbert Elias’ grundlegender Studie zur Entwicklung des Zeitbewusstseins wird Zeit oftmals als Effekt gesellschaftlicher Regulierungen und mithin als sozial „konstruiert“ begriffen. Eine solche Kulturalisierung des Zeitbegriffs wird der Strahlkraft von Zeitvorstellungen, wie sie etwa der Evolutionstheorie Darwins inhärent sind, allerdings kaum gerecht. Die Entdeckung von unbegreifbar „kleinen“ oder „großen“ Entwicklungsperioden forderte um 1900 besonders die Literatur zu temporalen Experimenten heraus. Bereits 100 Jahre zuvor waren nach Wolf Lepenies „Techniken der Verzeitlichung“ am Werk, die die statische Chronologie der Naturgeschichte ebenso dynamisierten wie die Zeitformen der Literatur. Revolutionen naturwissenschaftlicher Zeitkonzepte, so die Ausgangsbeobachtung des Panels, scheinen also mit Neufindungsprozessen literarischer Zeiten zu koinzidieren. Das Wechselspiel ist dabei vielfältig: Die von Bergson als „Dauer“ gefasste reine Zeitlichkeit des Bewusstseins etwa löste in der Literatur der klassischen Moderne einen regelrechten Boom aus, der sich strikt gegen die mechanistische Zeitvorstellung der Naturwissenschaft richtete. Adaptierbar erschien im Gegenzug die Relativitätstheorie, die etwa Marcel Proust vermuten ließ, sie würde auf eine seiner Literatur „analogen Art“ versuchen, „die Zeit zu deformieren“.

Mit der Ausrufung des Anthropozäns vollzieht sich gegenwärtig eine neue Irritation des Zeitbewusstseins. Die Vorstellung, dass die Zeit des Menschen nicht die der Natur sei, ist nicht mehr haltbar, hat der Mensch doch irreversible Spuren in den geologischen Schichten der Erde hinterlassen. Ein neues „realistisches“ Denken, das sich vor allem auf zukünftige Generationen richten muss, ist gefragt, das die Postmoderne und seine Leit-Differenz von Kultur und Natur infrage stellt. Die deutsche Lyrik antwortet unter anderem aus der Tradition der Naturlyrik heraus auf die Herausforderungen des Anthropozäns (Seel/Bayer). Auch der Roman – etwa Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe oder Dietmar Daths Die Abschaffung der Arten – widmet sich zunehmend Erzählproblemen, die sich aus einer radikalen Infragestellung der Unterscheidung Natur/Kultur ergeben. Und wenn Raoul Schrott mit Erste Erde einen „Epos“ der Entwicklung des Planeten vorlegt, so scheint er gerade die einstmals menschlich unfassbare „Deep Time“ literarisieren zu wollen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen fragt das Panel nach Interferenzen zwischen den Zeiten der Literatur und jenen der Natur:

• Welche Mittel besitzt die Literatur, die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen für naturwissenschaftliche Zeitmodelle zu sensibilisieren, etwa durch tierliche oder pflanzliche Erzähler?

• Wo werden etwa durch Mathematisierung und Diagrammatik die Zeitformen der Literatur infrage gestellt?

• Lassen sich literaturhistorische Zäsuren ausfindig machen, die sich an Paradigmenwechsel der Naturwissenschaft (Evolutionstheorie, Relativitätstheorie, Quantentheorie, Anthropozän) rückbinden lassen?

Vortragende:

Dr. Tanja Prokic (Dresden) / Dr. Johannes Pause (Luxemburg): Einführung

Prof. Dr. Claudia Albes (Lüneburg): Kosmische Zyklen und Endzeitphantasien bei Johann Peter Hebel

Dr. Anke Kramer (Siegen): Eiszeit-Literatur. Inszenierungen von Kälte und die Erkundung der Tiefenzeit in den 1820er und 30er Jahren

Reto Rössler M.A. (Flensburg): „…am Leitfaden der Analogie“. Tiefenzeit und Verzeitlichung in Kants Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755)

Jan Knobloch M.A. (Berlin): Weltverneinung. Zur Aktualisierung eines Bildes im Anthropozän

PD Dr. Dorit Müller (Berlin): Endzeit trifft Tiefenzeit. Hybride Zeitmodelle in Alfred Döblins Berge Meere und Giganten

Simon Probst (Vechta): Tiefenzeit und Zeitgenossenschaft. Kontinuität und Transformation geologischer Poetik im Anthropozän-Diskurs

Dr. Patrick Stoffel (Lüneburg): Kurd Laßwitz‘ Homchen. Ein Bildungsroman aus der Tiefenzeit

J. Knopf, J. Mosbach, M. Nagel, A.-K. Müller N. Görz, L. Vordermayer J. Pause, T. Prokic
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Zeit-Muster. Konzeptualisierung, Strukturierung und Kodifizierung im Frühneuhochdeutschen
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Zeit-Muster. Konzeptualisierung, Strukturierung und Kodifizierung im Frühneuhochdeutschen

Vortragende:

Dr. Nicolaus Ruge (Trier): Der Tempusgebrauch in mitteldeutschen Ego-Dokumenten des 17. Jahrhunderts

Prof. Dr. Claudia Wich-Reif (Bonn): tages und nachtes: Strukturierung des Tages in Texten der Frühen Neuzeit

Prof. Dr. Claudine Moulin (Trier): Muster der Zeit: Strategien der Kodifizierung von Tempus in den älteren Grammatiken des Deutschen

Apl. Prof. Dr. Natalia Filatkina (Trier): Zeit-Muster in den frühneuhochdeutschen Sprachlehrbüchern

Transformationen heilsgeschichtlicher Zeitlichkeit in der Literatur des 15. – 17. Jahrhunderts
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Transformationen heilsgeschichtlicher Zeitlichkeit in der Literatur des 15. – 17. Jahrhunderts

Die Modelle heilsgeschichtlicher Zeitlichkeit waren im späten Mittelalter in komplexen Formen entfaltet worden, die Anfang und Ende sowie verschiedene Schichtungen des Vergangenen, des Gegenwärtigen und des Zukünftigen ineinander verschränkt hatten. Diese Formen werden im 15. und 16. Jahrhundert nicht obsolet, verändern sich aber unter Einfluss neuer Erfahrungsräume, Wissensordnungen und kultureller Dynamiken.

Vortragende:

Dr. Maximilian Benz (Zürich): Allegorie, Zeit und Ewigkeit in Hermanns von Sachsenheim Goldenem Tempel

Raoul DuBois M.A. (Zürich): Heilszeit und Uhrenzeit

Dr. Daniela Fuhrmann (Zürich): Wiederholung, Begrenzung, Aufschub. Zeitfiguren in den Historien von Faust und Wagner (1587/1593)

Aleksandra Prica PhD (Chapel Hill): Gryphius' Zeit der Form

Warten. Konstruktionen von langer und kurzer Dauer in der Literatur TEIL II
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Warten. Konstruktionen von langer und kurzer Dauer in der Literatur TEIL II

Der Begriff ‚Warten‘, der ursprünglich ‚seinen blick auf etwas richten‘ (vgl. Grimms Wörterbuch) bedeutet, kann im Zuge unterschiedlicher literarischer Zeitkonzeptionen positive oder negative Handlungen, das (Nicht-)Eintreffen von Figuren und Ereignissen und die Konstruktion von (mehr oder weniger bewusst wahrgenommenen) Zeiten langer und kurzer Dauer zur Folge haben.

Während der Blick beim Warten in chronologischer Zeitdarstellung aus der Gegenwart reflexiv in die Zukunft und/oder auch die Vergangenheit gerichtet wird und dabei oftmals eine lange Dauer bedingt, wirken in kairologischen Zeitkonzepten beide Zeitmomente in die Gegenwart hinein, so dass es rechte Zeit für etwas wird, auf die gewartet, die folglich auch verpasst werden kann und die oftmals von Konstruktionen einer kurzen Dauer begleitet wird. So wird z.B. Anselmus’ langes, zukunftsgerichtetes Warten auf Serpentina in E.T.A. Hoffmanns Der goldne Topf mit einer Liebesheirat und einem Rittergut in Atlantis belohnt, während Schillers Feldherr Wallenstein wartet und scheitert, weil er nicht im ‚richtigen‘ Augenblick handelt. Gustav von Aschenbachs existentieller Kairosmoment, das erstmalige Erblicken von Tadzio in Thomas Manns Der Tod in Venedig, ereignet sich, als Aschenbach kurz warten muss, während sich bei Hans Castorps Aufenthalt auf dem Zauberberg und im ‚zeitlosen Daseyn‘ (vgl. Schopenhauer 1819) das Warten auf die Entlassung ins Unendliche zu dehnen scheint und doch nur den vermutbaren Tod im Krieg aufschiebt. Jakob Fabian in Kästners Roman sieht Deutschland am Anfang der 1930er Jahre als einen Wartesaal und ahnt, dass es zu einer Katastrophe kommen wird.

Auch in der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Warten werden unterschiedliche Bedeutungen und Auswirkungen diskutiert, nicht selten unter einem positiven Vorzeichen. Warten zu können wird beispielsweise von Sigmund Freud als zivilisatorische Errungenschaft gesehen, weil die Befriedigung kurzfristiger Bedürfnisse zugunsten kulturell höherwertiger, längerfristiger Ziele zurückgestellt wird. Nach Ebbighausen bedingt das Warten, das immer eine ‚leere‘ Zeit ist, ein Subjekt, das wartet und ein Objekt, auf das gewartet wird (die, der oder das Erwartete), so dass sich das Bewusstsein des Wartenden darauf richtet, etwas anwesend zu machen, was nicht anwesend ist (vgl. Rodion Ebbighausen: Das Warten. Würzburg 2010, S. 46, vgl. dazu auch Nadine Benz: (Erzählte) Zeit des Wartens Semantiken und Narrative eines temporalen Phänomens. Göttingen 2013, S. 50.). Joseph Vogl wiederum hat in Über das Zaudern (Zürich 2007) eine Variante des Wartens als Schwellensituation zwischen Handeln und Nichthandeln beschrieben.

Im Panel soll es um die verschiedenen Aspekte, Facetten und Funktionen des Phänomens Warten und um seine Auswirkungen gehen – sowohl auf Ebene der histoire als auch auf Ebene des discours, und zwar aus fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und schulpraktischer Sicht.

Vortragende:

Dr. Christian Wiebe (Braunschweig): "Wartet, bis wir wiederkommen, und euch abholen". Betrügerisches Warten in den Märchen der Grimms

Marcus Willand / Benjamin Krautter M.A. (Stuttgart): Warten im Drama / Dramatisches Warten

Dr. des. Frederike Middelhoff (Hamburg): Noch einmal warten auf Godot. Das Absurde der Zeit/en im aktuellen Migrationsroman

Dr. Sebastian Zilles (Bamberg): Warten auf den Tod. Darstellung und Funktion des Wartens am Beispiel ausgewählter Werke der deutschsprachigen HIV-/AIDS-Literatur

Erlesene Zeiten. Literarische Sozialisation und Zeiterfahrung in der Kinder- und Jugendliteratur TEIL II
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Erlesene Zeiten. Literarische Sozialisation und Zeiterfahrung in der Kinder- und Jugendliteratur TEIL II

Die Vermittlung von Zeit, Zeiterfahrung und Zeitlichkeit spielt in einer Reihe von Werken der Kinder- und Jugendliteratur eine große Rolle. Texte wie Michael Endes Momo oder Jule Vernes Reise um die Erde in 80 Tagen gehen inhaltlich-thematisch auf Fragen zur Zeit ein, lassen diese in der erzählten Handlung als Gestaltungselement wirksam werden und stellen darüber hinaus Reflexionen über die Zeit an, die den kindlichen Rezipienten Ansatzpunkte für weiter-führende Deutungen des Gehörten bzw. Gelesenen bieten. In Entsprechung zur kindlichen Er-lebniswelt sind es hierbei sowohl realistische als auch fantastische Welten, die die beschrie-benen Zeitphänomene illustrieren. Des Weiteren finden sich gerade für jüngere Kinder erläu-ternde Texte zur Einteilung der Zeit bzw. zur Schilderung von Zeitabläufen, wobei eine Ver-mittlung von chronometrischer wie kalendarischer Zeit erfolgt (z.B. Antje Damm: Alle Zeit der Welt, oder historisch: Arnim/Brentano: Ammen-Uhr).

Indem all diese Aspekte von Zeit dem Kind mithilfe von literarischen Texten näher gebracht werden, ist zu fragen, welche Bedeutung dem spezifisch Literarischen hierbei zukommt. Wie erfolgt durch die literarische Sozialisation die Vermittlung der Kategorie Zeit, und auf welche Weise ist das im Text jeweils konkret realisiert? Diese Frage ist für das konzipierte Panel zentral. Es soll gezeigt werden, dass die Literatur nicht nur durch explizite Thematisierungen Aspekte von Zeit vermittelt, sondern dass hierbei vor allem spezifisch literarische Techniken und Operationen die Grundlage bilden. Dadurch erfolgt eine Form der kindlichen Lesesoziali-sation, die in Anlehnung an „Literacy“-Konzepte beschrieben werden kann. Gemäß dieser Ausrichtung bietet das Panel die Plattform für entsprechende Vorträge. Einzeltextanalysen sind ebenso erwünscht wie Überblicksdarstellungen, die wiederum synchrone oder diachrone Perspektivierungen vornehmen können. Unter Fokussierung auf narrative Aspekte ist dabei zu überlegen, auf welche Weise in der Kinder- und Jugendliteratur Besonderheiten zu verzeich-nen sind, etwa was das gehäufte Auftreten von Rahmenerzählungen betrifft (zur Darstellung der unterschiedlichen Zeitebenen), in welchem Umfang Analepsen und Prolepsen vorkom-men, oder auch, wie es sich mit den Relationen von erzählter Zeit und Erzählzeit verhält. Ausgehend von konventionalisierten Formeln (wie jenem „Es war einmal …“ des Märchens) ist darüber hinaus zu thematisieren, welche sonstigen sprachlichen Realisierungen zur Ver-deutlichung von zeitlichen Aspekten in den kinderliterarischen Texten vorhanden sind.

Vortragende:

PD Dr. Ruth Neubauer-Petzoldt (Erlangen): Warten, warten, warten – eine existentielle Erfahrung und ihre Inszenierung im Bilderbuch

Dr. Carolin Führer (Tübingen): Zeitliche Übergänge in Graphic Novels. Zur narratologischen und intermedialen Produktion von Adoleszenz in realistischen Graphic Novels

Dr. Swantje Rehfeld (PH Nordwestschweiz): "... das sind Zeilen, wo sie ganz schnell laufen". Narratologisches Verstehen von Zeitraffung bei Schüler(inne)n der Unterstufe

apl. Prof. Dr. Weertje Willms (Freiburg i. Br.): Reale vs. phantastische Zeitkonzeptionen im Kinder- und Jugendbuch

C. Moulin C. Kiening N. Mattern, S. Neuhaus K. Max
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Die Plot-Zeit im mittelalterlichen Erzählen und ihre Auflösung TEIL II
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Die Plot-Zeit im mittelalterlichen Erzählen und ihre Auflösung TEIL II

„Es macht keinen Sinn zu fragen“, so Harald Haferland in einem aktuellen Beitrag, „wie ein locus amoenus an einem bestimmten Montagnachmittag [...] aussieht. Es ist dagegen ein ganz bestimmter Morgen, an dem die Festlichkeiten der Landwirtschaftsmesse in ›Madame Bovary‹ beginnen.“ (Harald Haferland: Konzeptuell überschriebene Module im volkssprachlichen Erzählen des Mittelalters und ihre Auflösung, in: BmE 1 (2018), S. 108 ff., Teil 5 – online: www.erzaehlforschung.de). Bei Haferland werden diese und ähnliche ‚Zeit‘-Beobachtungen zum Ausgangspunkt einer pointierten Unterscheidung zwischen mittelalterlichem und modernem Erzählen. Die narrative Kontinuität modernen Erzählens setze eine vom Erzählten zunächst einmal unabhängige Zeitleiste voraus, mit denen das Erzählen „unterlegt“ werde; auf dieser Leiste würden freie Zeitvariablen etabliert, die eine Situation mitbestimmen. Im mittelalterlichen Erzählen dagegen sei die Zeit dem Erzählten gleichsam nachgeordnet, sie werde vom Plot letztlich immer so bestimmt, wie es für den Fortgang der Handlung erforderlich ist: „Sind im Mittelalter Zeit, Raum und Situation der erzählten Handlung, d. h. dem Plot, nachgeordnet und werden je nur angegeben, wenn die Handlung oder der Text/die Gattung es erfordert, so dass ggf. sämtliche derartige Angaben vernachlässigt werden können oder ausfallen, so stellt der moderne Roman sie der Handlung explizit voran.“ – Haferlands scharfsinnige Unterscheidung soll Ausgangspunkt unseres Panels sein; sie regt zur Suche nach Fällen an, die seine Überlegungen bestätigen können, oder ihnen aber entgegenstehen und ganz andere Erklärungsmodelle erfordern. Dabei sind durchaus auch Vergleiche erwünscht, die mittelalterliches und modernes Erzählen direkt miteinander konfrontieren. Zu fragen ist zum Beispiel, wie ‚frei‘ die Zeitvariablen im modernen Erzählen tatsächlich sind, aber auch, ob nicht auch im mittelalterlichen Erzählen unabhängige bzw. vorgeordnete ‚Zeitleisten‘ existieren (dynastische Abfolgen, Festtage, Tagzeiten usw.). Und: Wie legitim ist es, ein Werk der Höhenkammliteratur des 19. Jahrhunderts wie Flauberts ›Madame Bovary‹ mit „dem“ mittelalterlichen Erzählen zu vergleichen? Wie sähe der Vergleich aus, wenn auch populäre Erzählformen der Gegenwart (etwa im Fernsehen, Film, Computerspiel) einbezogen werden?

Die Beiträge des Panels sollen ebenfalls in den ‚Beiträgen zur mediävistischen Erzählforschung‘ veröffentlicht werden und damit eine erzähltheoretische Diskussion um das Thema Zeit weiterführen. Harald Haferland wird als Diskutant an dem Panel teilnehmen.

Vortragende:

PD Dr. Kathrin Chlench-Priber (Bern): Plot und Zeitstruktur in spätmittelalterlicher Legende und barockem satirischem Roman. Ein Vergleich der ‚Alexius‘-Legende aus ‚Der Heiligen Leben‘ und des Schelmuffsky-Romans Christian Reuters

Sebastian Holtzhauer M.A. (Osnabrück): Die Dekonstruktion der Wunderzeit in Hieronymus Rauschers 'Papistischen Lügen‘ (1562)

Dr. Matthias Standke (Paderborn): Heils-Plot - Heils-Zeit. Vom Schwinden eines Faszinationstyps im postmodernen Erzählen.

Dr. Angila Vetter (Augsburg): Gezählte Zeit - verzögerte Zeit. Narrative Gestaltung des Augenblicks der Verkündigung an Maria

Die Zeitlichkeit von Briefen in Literatur und Film TEIL II
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Die Zeitlichkeit von Briefen in Literatur und Film TEIL II

Das Medium Brief ist wesentlich durch das Moment der Verspätung bestimmt. Zwischen dem Verfassen und dem Ankommen eines Briefes können Tage bis sogar Jahre vergehen. Insofern gilt der Brief als ein nostalgisches Medium, eines, das Vergangenes erzählt. Zugleich können Briefe den Tod ihrer Verfasser und damit die Zeit überwinden. Manchmal bringen sie jedoch ihren Verfassern oder Adressaten den Tod und beenden somit deren Lebenszeit. Die Literatur ist hochflexibel in ihrer Darstellung von Zeitlichkeit unter anderem durch verschiedene Erzählmodelle, die jeweils auch zeitliche Implikationen haben, so zum Beispiel das Imperfekt des allwissenden Erzählers. Das Medium Film hingegen lebt von der Illusion der Präsenz und muss auffällige Mittel wie rahmende Überblendungen oder abweichende Farbgebung einsetzen, um Vergangenes zu erzählen. Literarische und filmische Erzählungen nutzen die Zeitlichkeit der Briefe, um daraus entstehende Verwicklungen, wie etwa dramenauslösende Verspätungen, Ungleichzeitigkeiten oder das Leben auf verschiedenen Zeitebenen, darzustellen. Insofern die Briefe in literarischen und filmischen Erzählungen die Zeitgestaltung modellieren, schaffen sie eine „ästhetische Eigenzeit“ (Michael Gamper u.a.).

In Stefan Zweigs Novelle Brief einer Unbekannten (1922) und Max Ophüls’ Verfilmung (USA 1948) treffen wir auf den Brief einer bereits Verstorbenen. In der Verfilmung verhindert dieser Brief zudem die rechtzeitige Flucht des Protagonisten vor einem Duell und löst somit vermutlich auch dessen Tod aus. Egon Günthers Verfilmung von Goethes Die Leiden des jungen Werthers (DDR 1976) hebt ebenfalls das Zuspätkommen einer Rettung Werthers durch seinen Freund und Briefpartner Wilhelm hervor. In Jane Austens Roman Überredung (1818) bringt auch ein Brief die Wendung, der die Vergangenheit überwindet. In der freien Adaption von Austens Roman, The Lake House von Alejandro Agresti (USA 2006), leben die Liebenden zudem in unterschiedlichen Zeitebenen mit einem Briefkasten als kommunizierende Röhre zwischen ihnen. In Ricarda Huchs Briefroman Der letzte Sommer (1910) bringt das Briefeschreiben auf einer Schreibmaschine dem Verfasser den Tod; damit endet auch die erzählte Zeit der Erzählung.

Das Panel widmet sich anhand von Vorträgen und Diskussionen den komplexen Zeitstrukturen, die Briefe in literarisches und filmisches Erzählen einbringen.

Vortragende:

Apl. Prof. Dr. Jochen Strobel (Marburg): 'Mohn' und 'Gedächtnis' in der "Traumzeit". Zur Korrespondenz Bachmann/Celan

Jonas Meurer, M.A. (Bamberg): "Schönes und Trübes verteilt sich auf die dahinfliegenden Tage". Die Dimension des Zeit in der filmischen Adaption des Bachmann-Celan-Briefwechsels Die Geträumten (2016)

Vasco. V. Ochoa B.A. (Mainz): "Time is the Speed at which the Past Disappears". Briefwechsel und Medienkonvergenz durch die Jahrhunderte in Cloud Atlas

Frei-Zeit in der Gegenwartsliteratur TEIL II
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Frei-Zeit in der Gegenwartsliteratur TEIL II

Irene Faipò M.A. (Heidelberg): Rom im Wandel der Frei-Zeit: Das deutsche Rombild zwischen den 1980er und den 2000er Jahren

Dr. Anita Gröger (Freiburg i. Br.): Der befremdende Augenblick: Botho Strauß' Die Fabeln von der Begegnung (2013)

Dennis Borghardt(Essen) / Dr. Pierre Mattern (Offenburg) / Prof. Dr. Alexandra Pontzen (Essen): Die literarische Epiphanie in der deutschsprachigen Prosa seit 1990: Beschreibungen und Analysemöglichkeiten

A. Becker, A. Hausmann I. Stauffer, C. Schmitt, M. Schleich Y. Nilges

Themenbereich 3: Zeit als historische Kategorie

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Historische Lexikographie im digitalen Medium. Neue Forschungen zu Repräsentationsformen zeitlicher Dynamik des Wortgebrauchs TEIL II
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Historische Lexikographie im digitalen Medium. Neue Forschungen zu Repräsentationsformen zeitlicher Dynamik des Wortgebrauchs TEIL II

Vortragende:

PD Dr. Alexander Geyken (Berlin): Diasystematische Merkmale der Zeit wie 'Neuprägung', 'veraltend', 'veraltet' und ihre Alternativen in einsprachigen Großwörterbücher. Korpusbasierte Trendanalysen und Formen ihrer Visualisierung

Prof. Dr. Thomas Gloning (Gießen): Historisches Vokabular des Jazz. Wort(schatz)geschichte in kommunikativ-kulturellen Zusammenhängen und die Frage nach digitalen Arbeitsumgebungen

Zur Implementierung von Schnittstellen (APIs) und zu ihrer Anwendung. Eine Kurzeinführung für GeisteswissenschaftlerInnen und Demonstrator(en)

Zeit-Zeugenschaft und Zeitzeugnisse: Literarische Repräsentationen des ,Holocaust‘ als komprimierte Un-Zeit und ihre didaktischen Potenziale
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Zeit-Zeugenschaft und Zeitzeugnisse: Literarische Repräsentationen des ,Holocaust‘ als komprimierte Un-Zeit und ihre didaktischen Potenziale

Von den Überlebenden der Shoah liegt eine variantenreiche und auf unterschiedliche Weise ergreifende Literatur über die als erinnerte Zeit zuweilen als traumatisierend erfahrene zentrale Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts vor. Keine historische Epoche ist so intensiv erinnert und in dieser Erinnerung zuweilen erneut durchlitten worden, wie der Holocaust. Kaum ein historischer Handlungszusammenhang hat tiefere Spuren in der kollektiven Wahrnehmung der Nachgeborenen hinterlassen.

Nachdem aufgrund des generationalen Wandels die Überlebenden nun nicht mehr persönlich ihre Geschichten erzählen und damit die nationalsozialistischen Verbrechen bezeugen können, ist die interdisziplinäre Holocaust Education dazu übergegangen, sich intensiv mit den medialen Repräsentationen der Zeitzeugnisse zu beschäftigen. Dazu gehört eine weiterhin sehr eifrige Dokumentation von bislang noch nicht festgehaltenen Lebensgeschichten. Dies geschieht heute mitunter in Ko- Autorschaft mit jüngeren Autor(inn)en, in Kombination mit künstlerischen Ausdrucksformen, in Form von visualisierten Berichten, oder sogar durch Hologramme, die auf dreidimensional vermessenen Überlebenden basieren. Die Tatsache, dass angesichts des Alters der Überlebenden nicht mehr viel Zeit zur persönlichen Begegnung und damit auch zur Dokumentation des Erlebten bleibt, hat hier die Frage nach technischen und ästhetischen Möglichkeiten im Kontext der Digitalisierung intensiviert. Für die Didaktik des Deutschen ergeben sich in diesem Kontext vielfältige unterrichtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeit mit autobiographischen Texten, aber auch Aufgaben und Anschlussmöglichkeiten an den interdisziplinären Diskurs.

Vortragende:

Claudia Margraf / Christoph Triebfürst (Dachau): Biographisches Schreiben lernen und reflektieren: Erfahrungen mit dem Projekt 'Gedächtnisbuch' des 'Dachauer Forums'

Frank Schroeder (Esch-sur-Alzette/Luxembourg): Gedenkstättenfahrten aus Luxembourger Perspektive: Reflexionen über das Projekt 'Témoins de la 2e Génération'

Dr. Renata Behrendt (Hannover): "Hinter dem Geschriebenen – didaktische Überlegungen zur Ironie in literarischen Zeitzeugnissen.

Lisa Schwendemann / Cathrin Eckerlein (München): 'Der Junge auf dem Berg' von John Boyne: (Zeit-)Zeugnis eines (Un)Schuldigen, verhandelt vor Gericht

Dr. Michael Penzold (München): "Zeitzeugenschaft im Urteil von Lehrerinnen und Lehrern: Anmerkungen zu Gedenkstättenfahrten

Temporale und nicht-temporale Darstellungsformen in der Literaturgeschichtsschreibung TEIL II
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Temporale und nicht-temporale Darstellungsformen in der Literaturgeschichtsschreibung TEIL II

In der Literaturgeschichtsschreibung haben derzeit nicht-temporale Ansätze Konjunktur wie etwa lokale Literaturgeschichten, vergleichende Kulturtransfergeschichten, polyperspektivisch erzählte Literaturgeschichten oder Literaturgeschichten von Universalien. Zugleich ist durch die Empirisierung und Digitalisierung der letzten Jahrzehnte für viele Gattungen und Bestände deutlich geworden, dass einige Phänomenbereiche um ein Vielfaches reichhaltiger, komplexer und heterogener sind, als dies bisher in Literaturgeschichten abgebildet wird. Vor allem die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und die synchron im literarischen Feld relevanten Praktiken, Formen und Gattungen zeigen die Grenzen von Epocheneinteilungen und einlinigen textuellen Entwicklungen auf. Da aber auch Gattungen, Formen, Literaturinstitutionen etc. ihre jeweils eigene Geschichte haben, ohne deren Kenntnis eine Position im synchronen Feld nicht verständlich ist, müssen sowohl die synchrone als auch die diachrone Ebene modelliert werden.

Ziel dieses Panels ist es deshalb herauszuarbeiten, welche Rolle temporale Darstellungen spielen bzw. sinnvollerweise spielen sollten, wenn Literaturgeschichten eines Kulturraumes, eines zeitlichen Abschnitts, einer Gattung oder einer Form geschrieben bzw. anhand von Objekten erzählt werden. Dabei soll – wie in den Beispielfragen unten veranschaulicht – es um die Makro- und die Mesoebene von Literaturgeschichtsschreibung gehen. Die Perspektive vom Einzeltext aus, d.h. Fragen der Kontextualisierung hermeneutisch-analytischer Analyseergebnissen in größeren Zusammenhängen ist dezidiert nicht Gegenstand des Panels.

Die folgenden Fragen sind grundlegend für die Arbeit im Panel:

  • Welche soziologischen, philosophischen, historischen, kulturgeschichtlichen Ansätze gibt es für die Darstellung literaturgeschichtlicher Entwicklungen und Zusammenhänge, die neben chronologischen Abfolgen auch Gleichzeitigkeit, Universalität und Diversität modellieren?
  • Wie kann das Verhältnis von nationalen und internationalen, von globalen und regionalen Entwicklungen gefasst werden?
  • Welche Darstellungsverfahren bieten sich auf einer mittleren, insbesondere einer gattungs- oder formenbezogenen Ebene an?
  • Welche Rolle spielen Konjekturen (Vermutungen) für temporal organisierte Darstellungen? Diese Frage stellt sich überwiegend, aber nicht nur für historische Abschnitte mit sehr diskontinuierlicher Überlieferung.

Vortragende:

Prof. Dr. Stefan Kammer (München): Zeiträume und Zeitpfeile der Literaturgeschichte. Heinrich Heines Romantische Schule

Dr. Martin Schneider (Hamburg): Persistenz als Kategorie der Theatergeschichte?

PD Dr. Katrin Dennerlein (Würzburg): Werk, Fassung, Einzelexemplar und ihre peritextuelle Einbettung – Ein Datenmodell für die literarische Kommunikation mit dramatischen Texten

T. Gloning M. Penzold K. Dennerlein

Themenbereich 4: Zeit als Motiv

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Zeitumstellungen: Formen und Funktionen literarischer Zeitstrukturen am Übergang zwischen Romantik und Zwischenphase
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Zeitumstellungen: Formen und Funktionen literarischer Zeitstrukturen am Übergang zwischen Romantik und Zwischenphase

Mit dem Ende der Goethezeit differenziert sich das literarische Feld in verschiedene Subsysteme aus, die experimentell ausgerichtet, kaum trennscharf und kaum einheitlich fassbar sind. Anthropologische und poetologische Modelle wie der Bildungsroman oder die Autonomieästhetik werden in Vormärz, Biedermeier und Jungem Deutschland zwar weitergeführt, dabei aber als nicht tragfähig ausgestellt. Der noch immer tendenziell provisorische Blick auf diese Gemengelage wechselt dabei zwischen Beschreibungen als Rückbau des Vergangenen (‚Ent-Romantisierung‘ oder ‚Verkehrung der Romantik‘) und Fassungsversuchen der Gesamtsituation als Zwischenphase, die ihre eigene Vorläufigkeit thematisiert.

Das Panel nimmt mit der Zeit von etwa 1825 bis 1835 den Ausgang der Romantik und den Eintritt in die skizzierte Phase in Augenschein und fragt danach, wie sich der Wandel in literarischen Repräsentationen von Zeit abbildet. Dabei wird von der Beobachtung ausgegangen, dass Zeit gerade in Schreibweisen dominant auftritt, die den eigenen Umbruchszustand verhandeln. Dies wird u.a. deutlich an der Korrelation von Zeit und Psyche, dem Umgang mit ‚Fremdräumen‘, der Ausbildung des Zeitromans, der Form historischen Erzählens sowie der Neukonzeption von Zukunft (vor allem in Auseinandersetzung mit der Vergangenheit). In jedem Fall wird die Ablösung von der Goethezeit auch in Darstellungsweisen der literarischen Zeit abgehandelt.

Fundamentale Fragen, die sich in diesem Kontext stellen, formieren hauptsächlich zwei Felder:

1. Inwiefern werden aus der Goethezeit stammende literarische Ausprägungen von Zeit und Zeitlichkeit aufgegriffen und als rückblickende Reflexion problematisiert? Und komplementär dazu: 2. In welchen Strukturkomplexen treten ‚Zeitumstellungen‘ progressiv als Entwurf neuer Konzepte auf?

Mit diesen Fragen ist der Blick jeweils darauf gerichtet, auf welchen Ebenen ein Umgang mit Zeit manifest wird und welche Modelle von Zeit und Zeitlichkeit in welchen Bezügen verhandelt werden.

Vortragende:

Prof. Dr. Wolfgang Lukas (Wuppertal): Innovative Formen des Erzähldiscours in der Literatur der 1830er Jahre (Immermann, Tieck u.a.). Aspekte einer historischen Narratologie und Anthropologie

Raphael Stübe M.A./M.Ed. (Jena): Ablösungsprozesse. Transformationen von romantischer Zeitlichkeit bei Eduard Mörike

Dr. Stephanie Großmann (Passau): Weibliche Zeitlichkeit – zeitliche Weiblichkeit. Literarische Zeitstrukturen bei Caroline von Wolzogen, Johanna Schopenhauer Caroline Pichler, Caroline de la Motte-Fouqué, Helmina von Chézy, Amalie Schoppe und Annette von Droste-Hülsoff

Knappe Zeit. Zeitengpässe, Zeitverluste und Zeitmanagement in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart TEIL II
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Knappe Zeit. Zeitengpässe, Zeitverluste und Zeitmanagement in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart TEIL II

Zeit ist ein zunehmend knappes Gut. In allen gesellschaftlichen Teilbereichen – Familie, Bildung, Wirtschaft etc. – wächst die Herausforderung, beständig neue Angebote, Aufgaben, Anforderungen und Erwartungen mit begrenzten Zeitressourcen effektiv in Einklang zu bringen. Zeitmanagement wird mehr und mehr zur Schlüsselkompetenz – auch und gerade für Heranwachsende. Die Beiträge des Panels fragen aus Sicht der KJL-Forschung danach, wie sich die hier skizzierte Entwicklung in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart und ihrer Rezeption spiegelt und welche literaturdidaktischen Perspektiven hierzu entwickelt werden können.

Vortragende:

Prof. Dr. Elvira Topalović/Laura Drepper (Paderborn): „Oh, wie schön ist Panama“ – Zeitwahrnehmung von Kindern in der Grundschule

Thomas Kronschläger (Braunschweig): Aschenputtel reloaded ? Unterschiedliche Zeitwahrnehmung in David Levithans Letztendlich sind wir dem Universum egal und Letztendlich geht es nur um dich

Mara Therese Boß (Hannover): Die Zeit als Roh-stoff in Michael Endes Momo

(Lebens-)Zeit. Die Zeit des Lebens in literarischer und sprachlicher Dimension TEIL II
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(Lebens-)Zeit. Die Zeit des Lebens in literarischer und sprachlicher Dimension TEIL II

Mit der Suche Prousts nach der verlorenen Zeit wird Zeit in Texten in eine neue Dimension aufsteigen. Autobiographien und Biographien sind eine lange etablierte Textform schon vor diesem Text, doch jetzt wird gezeigt, dass ein Leben mehr ist als nur die reine Abfolge von Ereignissen in strikter zeitlicher Reihenfolge. In dieser Veranstaltung soll darum untersucht werden, welche Rolle die Zeit für das Leben in Texten spielt. Es soll dabei vorrangig um Texte gehen, die sich nicht als Biografie oder Autobiografie verstehen oder so zu bezeichnen sind und die trotzdem die Zeit des Lebens eines Menschen als Ereignis in ihren Mittelpunkt stellen.

Ob der Tod zum Leben gehört ist eine viel diskutierte Frage mit unterschiedlichen Antworten. In jedem Fall ist der Tod ein markanter Zeitpunkt. Wenn man ein Bewusstsein davon hat, das die Lebenszeit angesichts des Todes nur begrenzt ist, drängt sich die Frage auf, wie man Zeit einteilt, welche Prioritäten man setzt oder ob man gerade dies nicht tut und Zeit trotzdem als unendlich annimmt. Ist Lebenszeit ein kostbarer Besitz oder einfach etwas, dass man hat? Bestimmt jemand über die (Lebens-)zeit und wenn ja wer und wie? Welche Rolle spielen die Regeln der Sprache für die Gestaltung eines Erzähltextes in Hinblick auf die Darstellung der Zeit? Ist Zeit etwas über das ein Autor in der Gestaltung seines Textes frei verfügen kann oder werden ihm erzählerisch und sprachlich bedingte Grenzen gesetzt oder Wege vorgeschrieben? Welche Erkenntnisse kann die Sprachwissenschaft der Literaturwissenschaft für die Gestaltung von Zeit in Texten vermitteln und wie sie es umgekehrt aus, was kann die Literaturwissenschaft an Bedeutung in einem Text aufdecken, die der sprachwissenschaftlichen Durchdringung eines Textes helfen. Diese Veranstaltung möchte den Umgang mit der Zeit am Beispiel des Lebens von Menschen aus literaturwissenschaftlicher und sprachwissenschaftlich gleichermaßen thematisieren.

Vortragende:

Jano Sobottka(Dortmund): Das Motiv der Endlichkeit in den literarischen Tagebüchern von Wolfgang Herrndorf und Christoph Schlingensief.

Yupei Wang (Peking): Leben Tod und Bildung in Hermann Hesses 'Unterm Rad'

Gegenwartsliteratur nach der Digitalisierung: Zeitreflexion und literarische Verfahren
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Gegenwartsliteratur nach der Digitalisierung: Zeitreflexion und literarische Verfahren

Digitale Medien und weltweite Vernetzung verändern die Auffassung und die Wahrnehmung von Gegenwart und Aktualität wie auch die Möglichkeiten und den Status von Gegenwartsliteratur. Im Rahmen des Workshops sollen stichprobenartig Schreibweisen diskutiert werden, mit denen unter den Bedingungen der Digitalisierung Konzepte von Gegenwart reflektiert, veranschaulicht und profiliert werden. Ausgehend von der Arbeitshypothese, dass in dieser Hinsicht vor allem dann weiterführende Ergebnisse zu erzielen sind, wenn man zeitdiagnostische und literarische Texte aufeinander bezieht, sollen Semantiken der Gegenwart und literarische Verfahren als Formen der Zeitreflexion in Auseinandersetzung mit digitalen Medien und digitaler Kultur diskutiert werden. Gegenstand sind einerseits die verstärkt seit Mitte der 2000er Jahre im Umfeld der Kultur- und Medienwissenschaften erscheinenden Texte, die Veränderungen in der Auffassung von Zeit konstatieren und diese Verschiebung mit dem Phänomen ‚Digitalisierung‘ begründen – darunter Hans Ulrich Gumbrechts Unsere breite Gegenwart (2010) und Douglas Rushkoffs Present Shock. Wenn alles jetzt passiert (2014). Diese und weitere zeitdiagnostische Texte sollen im Workshop mit literarischen Texten u.a. von Clemens J. Setz, Terézia Mora, Kathrin Röggla und Senthuran Varatharajah konfrontiert und mit Blick auf deren sprachliche und textuelle Organisation und deren (Re-)Präsentation von Gegenwart im Zusammenhang diskutiert werden.

Vortragende

Prof. Dr. Eckhard Schumacher / Dr. des. Elias Kreuzmair (Greifswald): Schreibweisen der Gegenwart. Zeitdiagnostik und literarische Verfahren

Dr. Lilla Balint (Berkeley): Zeitreflexion und Zeitdarstellung in Kathrin Rögglas wir schlafen nicht

Dr. Karin Krauthausen (Berlin): Zeit und Modus: Figuren der Personenrede bie Kathrin Röggla

Eva Stubenrauch M.A. (Bonn): Zeitreflexion und Zeitdarstellung in Juli Zehs Leere Herzen (2017)

Dr. Nathan Taylor (Frankfurt a. M.): Transitzeit. Prekäre Gegenwart bei Terézia Mora

Prof. Dr. Klaus Birnstiel (Greifswald): Gleitzeit. Zu einem literarischen Lebensgefühl der Gegenwart

Spracherwerbstheoretische und didaktische Zugänge zur Entwicklung der Tempora im (Grund-)Schulalter
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Spracherwerbstheoretische und didaktische Zugänge zur Entwicklung der Tempora im (Grund-)Schulalter

Vortragende:

Prof. Mag. Dr. Monika Dannerer (Innsbruck): Tempuserwerb und Tempusgebrauch im Spannungsfeld zwischen Textsorte, Situation und Varietät

Prof. Dr. Tabea Becker (Hannover) / PD Dr. Corinna Peschel (Wuppertal): "Perfekt ist immer mit T": Grammatikalitätsurteile und Konzepte zur grammatischen Kategorie Tempus

Dr. Christiane Hochstadt (Weingarten): Zur Förderung temporaler Muster in inszenierten Sprechkontexten

S. Brössel, S. Tetzlaff J. Standke, K. Manz G. Klatt, Weiping Liu E. Schumacher, E. Kreuzmair T. Becker, C. Peschel